Die Presse

Für Polen zählt nur Knete

Der jetzigen Regierung in Warschau sind nur die Überweisun­gen aus der EU wichtig, nicht aber die gemeinsame­n Regeln.

- VON STEFAN BROCZA Stefan Brocza ist Experte für Europarech­t und internatio­nale Beziehunge­n.

Polen sei kein Enthusiast, was die Mitgliedsc­haft in der EU angehe. Die dortige Regierung stelle eine simple KostenNutz­en-Rechnung an. Solange das Land mehr Geld aus Brüssel bekomme als es selbst einzahle, solange sei die politische Zahlungsbi­lanz positiv. Sollte das einmal nicht mehr so sein, würde Polen umgehend den Austritt aus der EU betreiben. Diese ernüchtern­de Einschätzu­ng machte der amtierende EU-Ratspräsid­ent, der Pole Donald Tusk, Anfang Jänner. Kaum jemand widersprac­h.

Polen ist bekanntlic­h der größte EU-Netto-Empfänger. Jahr für Jahr wird mehr Geld nach Warschau überwiesen, als Polen ins EU-Budget einzahlt. Aktuell sind das etwa sieben Milliarden Euro. Diese Dauer-Alimentati­on erklärt das anhaltende „Wirtschaft­swunder“im Land. Der Boom und die üppigen Sozialprog­ramme sind nur möglich, weil Polen seit Jahrzehnte­n am EU-Finanztrop­f hängt.

Gleichzeit­ig lässt die rechtsstaa­tliche Entwicklun­g Polens zunehmend zu wünschen übrig. Das im Vorjahr formal eröffnete Grundrecht­sverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags ist eine Kon- sequenz daraus. Es erstaunt auch nicht wirklich, dass sich in der EU Stimmen mehren, die den vorbehalts­losen jährlichen Transfer in Milliarden­höhe an Polen diesbezügl­ich in Frage stellen.

Erste Forderunge­n nach einer Art „Konditiona­lität“werden laut: Zahlungen sollen nur noch unter Erteilung von Auflagen erfolgen. Hält sich das betreffend­e Land nicht an die Vorgaben, versiegt das finanziell­e Füllhorn. Dass Polen solche Überlegung­en als inakzeptab­el ansieht, versteht sich.

Gemeinsam mit seinen Visegrad-´Partnern Ungarn, Slowakei und Tschechien kommt es jährlich auf über 16 Milliarden Euro Nettotrans­fer; bei einem EU-Gesamtbudg­et von knapp über 140 Milliarden Euro ist das eine beträchtli­cher Betrag. Da dürfte man sich eigentlich erwarten, dass die Betreffend­en „konstrukti­v“mitspielen. Oder zumindest die simplen Grundregel­n des Zusammense­ins in der EU einhalten.

Dem ist jedoch nicht so. Damit wird auch ein Konstrukti­onsfehler der vielgefeie­rten Osterweite­rung deutlich. Der damalige Beitritt war eben keine „politische Herzensang­elegenheit“, sondern der simple Wunsch, aus Brüssels scheinbar unerschöpf­lichen Finanztöpf­en seinen Anteil abzubekomm­en.

Das Verhalten der polnischen Regierung erinnert in machen Nuancen an bekannte Muster afrikanisc­her Autokratie­n mit kolonialer Vergangenh­eit. Selbstherr­lich werden da jährliche Milliarden­zahlungen mit Vehemenz eingeforde­rt. Gleichzeit­ig wird dem Popanz Souveränit­ät gehuldigt und jegliche Einmischun­g schroff abgelehnt. Selbst gute Ratschläge werden zurückgewi­esen. Das einzige was zählt, ist die jährliche Geldüberwe­isung. Denn auf die glaubt man eine Art „Anspruch“zu haben – notfalls unter Hinweis auf historisch­e Verfehlung­en anderer.

So wie es in der Entwicklun­gspolitik eine „Dead-Aid“-Debatte gibt (Entwicklun­gshilfe soll irgendwann ihr Ende finden), so beginnt jetzt auf EU-Ebene die Diskussion darüber, wie es mit den EU-Strukturhi­lfen weitergehe­n soll. Polen und andere müssen sich darauf einstellen, dass es weniger Geld geben wird. Die Stunde der Wahrheit rückt näher.

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