Für Polen zählt nur Knete
Der jetzigen Regierung in Warschau sind nur die Überweisungen aus der EU wichtig, nicht aber die gemeinsamen Regeln.
Polen sei kein Enthusiast, was die Mitgliedschaft in der EU angehe. Die dortige Regierung stelle eine simple KostenNutzen-Rechnung an. Solange das Land mehr Geld aus Brüssel bekomme als es selbst einzahle, solange sei die politische Zahlungsbilanz positiv. Sollte das einmal nicht mehr so sein, würde Polen umgehend den Austritt aus der EU betreiben. Diese ernüchternde Einschätzung machte der amtierende EU-Ratspräsident, der Pole Donald Tusk, Anfang Jänner. Kaum jemand widersprach.
Polen ist bekanntlich der größte EU-Netto-Empfänger. Jahr für Jahr wird mehr Geld nach Warschau überwiesen, als Polen ins EU-Budget einzahlt. Aktuell sind das etwa sieben Milliarden Euro. Diese Dauer-Alimentation erklärt das anhaltende „Wirtschaftswunder“im Land. Der Boom und die üppigen Sozialprogramme sind nur möglich, weil Polen seit Jahrzehnten am EU-Finanztropf hängt.
Gleichzeitig lässt die rechtsstaatliche Entwicklung Polens zunehmend zu wünschen übrig. Das im Vorjahr formal eröffnete Grundrechtsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags ist eine Kon- sequenz daraus. Es erstaunt auch nicht wirklich, dass sich in der EU Stimmen mehren, die den vorbehaltslosen jährlichen Transfer in Milliardenhöhe an Polen diesbezüglich in Frage stellen.
Erste Forderungen nach einer Art „Konditionalität“werden laut: Zahlungen sollen nur noch unter Erteilung von Auflagen erfolgen. Hält sich das betreffende Land nicht an die Vorgaben, versiegt das finanzielle Füllhorn. Dass Polen solche Überlegungen als inakzeptabel ansieht, versteht sich.
Gemeinsam mit seinen Visegrad-´Partnern Ungarn, Slowakei und Tschechien kommt es jährlich auf über 16 Milliarden Euro Nettotransfer; bei einem EU-Gesamtbudget von knapp über 140 Milliarden Euro ist das eine beträchtlicher Betrag. Da dürfte man sich eigentlich erwarten, dass die Betreffenden „konstruktiv“mitspielen. Oder zumindest die simplen Grundregeln des Zusammenseins in der EU einhalten.
Dem ist jedoch nicht so. Damit wird auch ein Konstruktionsfehler der vielgefeierten Osterweiterung deutlich. Der damalige Beitritt war eben keine „politische Herzensangelegenheit“, sondern der simple Wunsch, aus Brüssels scheinbar unerschöpflichen Finanztöpfen seinen Anteil abzubekommen.
Das Verhalten der polnischen Regierung erinnert in machen Nuancen an bekannte Muster afrikanischer Autokratien mit kolonialer Vergangenheit. Selbstherrlich werden da jährliche Milliardenzahlungen mit Vehemenz eingefordert. Gleichzeitig wird dem Popanz Souveränität gehuldigt und jegliche Einmischung schroff abgelehnt. Selbst gute Ratschläge werden zurückgewiesen. Das einzige was zählt, ist die jährliche Geldüberweisung. Denn auf die glaubt man eine Art „Anspruch“zu haben – notfalls unter Hinweis auf historische Verfehlungen anderer.
So wie es in der Entwicklungspolitik eine „Dead-Aid“-Debatte gibt (Entwicklungshilfe soll irgendwann ihr Ende finden), so beginnt jetzt auf EU-Ebene die Diskussion darüber, wie es mit den EU-Strukturhilfen weitergehen soll. Polen und andere müssen sich darauf einstellen, dass es weniger Geld geben wird. Die Stunde der Wahrheit rückt näher.