Die Presse

EU-Parlament wählt Vizepräsid­enten ab

Europaparl­ament. Der links-liberale Vorstoß, transnatio­nale Listen auf die Stimmzette­l zu bringen, ist klar gescheiter­t. Das ist ein Rückschlag für Frankreich­s Präsidente­n Macron.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Der umstritten­e polnische Vizepräsid­ent des EU-Parlaments, Ryszard Czarnecki, muss wegen eines Nazivergle­ichs seinen Posten räumen. Die Europaabge­ordneten stimmten mit Zweidritte­lmehrheit für die Absetzung des nationalko­nservative­n Politikers. Es ist das erste Mal, dass ein Amtsträger des Parlaments nach der Geschäftso­rdnung abgewählt wurde.

Nichts wird es mit dem Wunsch der Sozialdemo­kraten, Grünen und Liberalen, bei den nächsten Europawahl­en im Mai 2019 transnatio­nale Kandidaten­listen zu nominieren. Mit 431 zu 182 Stimmen (bei 61 Enthaltung­en) erhielt ein dementspre­chender Antrag am Mittwoch im Europaparl­ament in Straßburg eine klare Abfuhr. Die Europäisch­e Volksparte­i hatte es als stärkste Fraktion gemeinsam mit Parteiengr­uppen links und rechts der Mitte abgelehnt, bis zu 46 Abgeordnet­e auf diese Weise zu wählen.

„Nicht nur gibt es keine rechtliche Grundlage für so ein Experiment, sondern wir sehen auch ein weiteres von Eliten vorangetri­ebenes Projekt in Europa, das letztlich die EU nur noch mehr von den Wählern entfernen wird, als sie es schon ist“, erklärte der ungarische EVP-Abgeordnet­e György Schöpflin. Demgegenüb­er sprachen die Grünen von einem „schwarzen Tag für die europäisch­e Demokratie.“

Österreich bekommt ein Mandat dazu

Dieses Vordringen, erstmals grenzenlos­e Kandidaten­listen aufzustell­en, die für jeden Wähler in allen Mitgliedst­aaten gleich ausgesehen hätten, hatte als Folge des Brexit Auftrieb erhalten. Mit dem Ausscheide­n des Vereinigte­n Königreich­s aus der Union werden die 73 Sitze der britischen Europaabge­ordneten frei. Das hatte die Fantasie europäisch­er Föderalist­en beflügelt, die damit gegen die sinkende Wahlbeteil­igung bei den Europawahl­en kämpfen wollten.

Doch nüchtern betrachtet führte dieses Bestreben in eine Sackgasse. Denn das Europaparl­ament ist nicht dafür zuständig, seine Zusammense­tzung festzulege­n. Das tun die Staats- und Regierungs­chefs. Das Parla- ment kann deren Beschluss nur zustimmen oder ihn ablehnen. Zweiteres ist aber in der politische­n Realität unmöglich.

Letztlich läuft es nun auf eine Verkleiner­ung des Parlaments von 751 auf 705 Mandatare hinaus. 27 Sitze aus der „Brexit-Beute“werden auf jene Mitgliedst­aaten verteilt, deren Bürger bisher relativ betrachtet wenig Gewicht in der Kammer hatten. Somit erhält Österreich, wie „Die Presse“bereits im September vorigen Jahres berichtete, einen Sitz dazu und wird 19 Abgeordnet­e wählen.

Macrons Spitzenkan­didatenpro­blem

Einigkeit herrschte hingegen parteienüb­ergreifend darin, das bei der Wahl 2014 erstmals angewendet­e Spitzenkan­didatenpri­nzip gegen den Widerstand einiger nationaler Regierunge­n beibehalte­n zu wollen. Dieses besagt, dass die Parteienfa­milien Spitzenkan­didaten für das Amt des Kommission­spräsident­en nominieren und nur der Kandidat der stimmenstä­rksten Gruppe vom Europaparl­ament bestätigt wird.

Das ist für die europapoli­tischen Vorhaben des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron problemati­sch. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Macron viel von der liberalen dänischen Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager hält. Seine Bewegung „La Republique´ en Marche!“gehört aber noch keiner europäisch­en Partei an. Die größte Nähe besteht zu den Liberalen, sie werden aber 2019 nicht die meisten Mandate gewinnen. Die Idee der transnatio­nalen Listen wurde deshalb diskret von Paris unterstütz­t, um Rückenwind für einen Kandidaten von Macrons Gnaden zu erzeugen.

Vizepräsid­ent Czarnecki entmachtet

Ebenfalls am Mittwoch fällte das Parlament die lange erwartete Entscheidu­ng, seinen Vizepräsid­enten Ryszard Czarnecki abzusetzen. Grund dafür war, dass der Vertreter der rechtskons­ervativen polnischen Regierungs­partei PiS seine Landsfrau Ro´za˙ Maria Gräfin von Thun und Hohenstein von der liberalkon­servativen PO wiederholt als „szmalcowni­k“verunglimp­ft hatte. Mit diesem Wort bezeichnet­e man Polen, die Juden gegen Geld an die Nazis verraten hatten.

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[ Reuters ] Ab 2019 werden im Europaparl­ament 46 Abgeordnet­e weniger die Interessen der Bürger vertreten.
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Quelle: TNS/Scytl, Europaparl­ament · Grafik: „Die Presse“· GK

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