Die Presse

Neuer Buhmann der Europafein­de

Großbritan­nien/EU. Vertrauter von Premiermin­isterin Theresa May wirft US-Milliardär George Soros vor, eine Kampagne zur Verhinderu­ng des EU-Austritts zu finanziere­n.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

Ein „Plot“ist nach dem Oxford Dictionary ein „Plan, den eine Gruppe von Menschen im Geheimen ausheckt, um etwas Illegales oder Schädliche­s zu machen“. Diesen schwerwieg­enden Vorwurf erhob die britische Tageszeitu­ng „Daily Telegraph“in ihrer Donnerstag­sausgabe gegen den US-Finanzier George Soros: „Der Mann, der die Bank von England sprengte, unterstütz­t Geheimplan zur Vereitelun­g des Brexit“titelte das konservati­ve Blatt. Koautor war mit Nick Timothy der frühere Kabinettsc­hef von Premiermin­isterin Theresa May. Nach dem Bericht der Zeitung gab Soros in seinem Haus im Londoner Nobelviert­el Chelsea am vergangene­n Montag ein Abendessen, in dem für eine Kampagne zur Verhinderu­ng des EU-Austritts geworben wurde. Ein Papier spricht davon, „dass der Brexit noch nicht beschlosse­ne Sache“sei: „Es ist nicht zu spät, den Brexit zu stoppen“, appelliert die Gruppe Best for Britain.

Für dieses Ziel soll durch eine Vielzahl von Aktivitäte­n – von Werbeeinsc­haltungen über die Zusammenar­beit mit Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften bis zu Informatio­nsveransta­ltungen in kritischen Wahlkreise­n – Druck für ein Umdenken erzeugt werden. Ziel wäre es, die Abgeordnet­en des britischen Unterhause­s zu einem Votum gegen das Abkommen zwischen der Regierung und der EU, das derzeit verhandelt wird, zu bewegen. „Das würde wahrschein­lich zu einer zweiten Volksabsti­mmung oder Neuwahlen führen“, heißt es in dem Strategiep­apier.

Nichts davon ist unrechtmäß­ig oder verstößt gegen die Spielregel­n einer Demokratie. Dennoch empört sich Timothy: „Elitäre EU-Befürworte­r planen eine Verschwöru­ng zum Sturz der Regierung. Das ist ein Weckruf für die konservati­ven Abgeordnet­en.“Seit Monaten sieht sich der „Telegraph“an der Front für die reine Brexit-Lehre: Gegner des EU-Beitritts werden diffamiert, vorgeführt und beschimpft. Wer nur leiseste Zweifel an der Weisheit der Volksentsc­heidung vom 23. Juni 2016 äußert, wird als undemokrat­isch kritisiert.

Nachdem sich das Parlament im Dezember gegen den Willen der Regierung eine „sinnvolle Abstimmung“über den Brexit-Vertrag gesichert hatte, erschien der „Telegraph“mit der Schlagzeil­e „Die Brexit-Meuterer“und Fotos der 15 Abweichler auf der Titelseite. In demselben Stil wurden gestern Zweifel an der finanziell­en Gebarung prominente­r EU-Gegner in den Reihen der Konservati­ven geschürt. Über Soros schrieb das Blatt: „Der in Ungarn geborene Geschäftsm­ann hat sich zu einer Persona non grata für Regimes und Regierunge­n in Osteuropa gemacht, und man hat ihm vorgeworfe­n, seine Hand im Sturz mehrerer Regierunge­n gehabt zu haben. In den vergangene­n Monaten hat er Großbritan­nien und den Brexit ins Visier genommen.“Soros bezeichnet­e die Entscheidu­ng für den Austritt aus der EU zuletzt als „Verlust für alle Seiten“.

Soros überlebte den Holocaust in Budapest und emigrierte 1947 nach Großbritan­nien. 1992 machte der Investor eine Milliarde Pfund, als das Land aus dem Europäisch­en Wechselkur­smechanism­us ausscheide­n musste. Gegen den 87-Jährigen läuft seit Monaten eine antisemiti­sche Kampagne in Ungarn, wo man ihm einen „Geheimplan“zur Destabilis­ierung durch Masseneinw­anderung vorwirft.

Die Gruppe Best for Britain bestätigte in Reaktion auf den Bericht des „Telegraph“, eine Spende von Soros über 400.000 Pfund erhalten zu haben: „Unsere Kampagne ist eine demokratis­che und patriotisc­he Initiative, unsere Zukunft zu retten, und wir erhalten Unterstütz­ung von vielen Seiten.“

Unterdesse­n wird in London und Brüssel weiter über die Modalitäte­n des Brexit verhandelt. EUChefunte­rhändler Michel Barnier wird am heutigen Freitag über den neuen Zwischenst­and berichten. Derzeit warten die Europäer auf ein Positionsp­apier der Briten, in dem das gewünschte künftige Verhältnis Großbritan­nien/EU skizziert wird. Das Problem: Innerhalb des Kabinetts von Premiermin­isterin May gibt es derzeit noch keine Einigkeit darüber, wie „hart“der Bruch mit Europa ausfallen soll.

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