Die Presse

Ode an den Dotter

Was das Eiweiß für die US-Amerikaner ist, ist das Eigelb für Italiener. Und wer braucht Aranzini?

- VON IRIS BONAVIDA E-Mails an: iris.bonavida@diepresse.com

Das Internet vergisst nie, außer man sucht etwas sehr dringend, dann ist es im Chaos des Google-Gedächtnis­ses verschwund­en. Also muss ich die Informatio­n aus meinen dunklen Erinnerung­en hervorkram­en, von einer Amerikaner­in in Europa nämlich, die in ihrem Blog eine Ode an den Dotter anstimmt. In den USA wird das Eigelb, schreibt sie, von gesundheit­sbewussten Bürgern verteufelt, während sie sich ihr Eiweiß-Omelett rühren. Erst in Österreich (oder war es Deutschlan­d?) hat sie erfahren, dass ein Spiegelei mit zerfließen­dem Dotter so ziemlich das beste Frühstück ist.

Keine Ahnung, ob sie ihre Kollegen aus dem Heimatland inzwischen bekehrt hat. Falls nicht, sollten die USA und Italien dringend ein bilaterale­s Eierabkomm­en schließen. Ich orte zumindest ein ziemlich lukratives Tauschgesc­häft, denn was das Gelb für die Amerikaner ist, also der Feind, ist das Weiß für die Italiener. Kochen Sie mal Nudeln mit Carbonara und machen Tiramisu dazu. Plötzlich stehen Sie mit neun Eiweiß da und müssen sich tagelang wie ein Instagram-Fitnessmod­el ernähren. Neben dem Tiramisu halt.

In Österreich ist es überhaupt ziemlich verwirrend, den Einkauf für die Nachspeise zu erledigen. Denn im Italienisc­hen heißen Kekse zwar grundsätzl­ich biscotti. Aber die, die man fürs Tiramisu braucht, heißen savoiardi. In Wien sind das aber wiederum Biskotten, und ihre linguistis­che Herkunft wird noch hervorgeho­ben, indem sie liebevoll Bischkoten ausgesproc­hen werden. Skurriler ist es nur, dass kandierte Früchte hier Aranzini oder teilweise, sagen mir Kolleginne­n, Arancini genannt werden. Wenn man in Italien danach fragt, kriegt man aber frittierte Reisbällch­en.

Im Zweifelsfa­ll kann man übrigens einfach überall das ganze Ei hineinmisc­hen. Traditione­ll ist das halt nicht. Vergessen Sie es also am besten gleich wieder.

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