Die Presse

Balkankino: Mit der Kamera im Krieg

Das Filmarchiv Austria widmet dem bosnischen Regisseur Danis Tanovi´c eine umfassende Retrospekt­ive.

- VON MARTIN THOMSON wird heute Abend im Metro-Kino mit „No Man’s Land“eröffnet, Tanovic´ wird anwesend sein. Sie läuft bis 24. Februar.

Als in seinem Heimatland der Krieg ausbrach, zog Danis Tanovic´ nicht mit dem Gewehr, sondern mit der Kamera zu Felde. Für die bosnische Armee dokumentie­rte er Mitte der Neunziger den Alltag seiner Landsleute, die sich in einem blutigen Konflikt um Blut und Boden verstrickt hatten. Im Anschluss wanderten die Aufnahmen ins Archiv, wo er ebenfalls tätig war. In seinen späteren Filmen sollte diese kurze Epoche ein Fixpunkt bleiben.

Sein Debüt „No Man’s Land“(2001), für das er gleich den Auslands-Oscar erhielt, spielt 1994, als die Lage bereits eskaliert ist. Das Spezifisch­e des historisch­en Hintergrun­ds wird zwar herausgear­beitet, die Prämisse aber bleibt allegorisc­h: Ein Serbe, ein Bosniake, die UN und das Fernsehen müssen ein Rätsel knacken, das sich als unlösbar erweist. Krieg ist sinnlos, lautet die pazifistis­che Ur-Botschaft. Später setzte Tanovic´ in „Circus Columbia“(2010) das Wendejahr 1991 in den Fokus, als sich in dem plötzlich zersplitte­rten Ex-Jugoslawie­n das Denken in Kategorien der ethnischen und religiösen Zugehörigk­eit breitmacht­e.

Über seine eigene moralische Haltung beim Filmen und Inszeniere­n des Krieges dachte er in „Triage“(2009) nach – bei einem Schauplatz- und Epochenwec­hsel: Ein irischer Foto-Reporter, der 1988 vom Krieg in Kurdistan heimkehrt, zerbricht an der Frage, warum es so viele andere und nicht ihn erwischt hat. Das Geschehen wird einmal in der Gegenwart erlebt und dann über seine Fotografie­n nochmals (re)präsentier­t. Nur an den Rändern der Bilder scheinen bei Tanovic´ die Geschichte­n versteckt zu sein, die von mehr als dem Spektakel der offenen Körper und Wunden handeln.

Ähnlich düster sind seine Gegenwarts­filme: In „Aus dem Leben eines Schrotthän­dlers“führt eine ohnehin schon schrecklic­he Ausgangssi­tuation (eine Roma-Frau trägt ein totes Kind in sich) durch Armut und soziale Apathie in eine Abwärtsspi­rale (die Ärzte weisen sie ab, weil sie die OP nicht zahlen kann). In seinem Berlinale-Sieger „Death in Sarajevo“soll der 100. Jahrestag des Attentats in einer Friedensfe­ier begangen werden. Ob sie überhaupt stattfinde­n wird, steht allerdings in den Sternen, weil die geprellten Hotelanges­tellten einen Streik planen. Ein retardiere­ndes Moment – im abendfülle­nden Format.

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