Balkankino: Mit der Kamera im Krieg
Das Filmarchiv Austria widmet dem bosnischen Regisseur Danis Tanovi´c eine umfassende Retrospektive.
Als in seinem Heimatland der Krieg ausbrach, zog Danis Tanovic´ nicht mit dem Gewehr, sondern mit der Kamera zu Felde. Für die bosnische Armee dokumentierte er Mitte der Neunziger den Alltag seiner Landsleute, die sich in einem blutigen Konflikt um Blut und Boden verstrickt hatten. Im Anschluss wanderten die Aufnahmen ins Archiv, wo er ebenfalls tätig war. In seinen späteren Filmen sollte diese kurze Epoche ein Fixpunkt bleiben.
Sein Debüt „No Man’s Land“(2001), für das er gleich den Auslands-Oscar erhielt, spielt 1994, als die Lage bereits eskaliert ist. Das Spezifische des historischen Hintergrunds wird zwar herausgearbeitet, die Prämisse aber bleibt allegorisch: Ein Serbe, ein Bosniake, die UN und das Fernsehen müssen ein Rätsel knacken, das sich als unlösbar erweist. Krieg ist sinnlos, lautet die pazifistische Ur-Botschaft. Später setzte Tanovic´ in „Circus Columbia“(2010) das Wendejahr 1991 in den Fokus, als sich in dem plötzlich zersplitterten Ex-Jugoslawien das Denken in Kategorien der ethnischen und religiösen Zugehörigkeit breitmachte.
Über seine eigene moralische Haltung beim Filmen und Inszenieren des Krieges dachte er in „Triage“(2009) nach – bei einem Schauplatz- und Epochenwechsel: Ein irischer Foto-Reporter, der 1988 vom Krieg in Kurdistan heimkehrt, zerbricht an der Frage, warum es so viele andere und nicht ihn erwischt hat. Das Geschehen wird einmal in der Gegenwart erlebt und dann über seine Fotografien nochmals (re)präsentiert. Nur an den Rändern der Bilder scheinen bei Tanovic´ die Geschichten versteckt zu sein, die von mehr als dem Spektakel der offenen Körper und Wunden handeln.
Ähnlich düster sind seine Gegenwartsfilme: In „Aus dem Leben eines Schrotthändlers“führt eine ohnehin schon schreckliche Ausgangssituation (eine Roma-Frau trägt ein totes Kind in sich) durch Armut und soziale Apathie in eine Abwärtsspirale (die Ärzte weisen sie ab, weil sie die OP nicht zahlen kann). In seinem Berlinale-Sieger „Death in Sarajevo“soll der 100. Jahrestag des Attentats in einer Friedensfeier begangen werden. Ob sie überhaupt stattfinden wird, steht allerdings in den Sternen, weil die geprellten Hotelangestellten einen Streik planen. Ein retardierendes Moment – im abendfüllenden Format.