Der Regisseur der üblichen Unbekannten
Retrospektive. Das Filmmuseum würdigt Mario Monicelli, einen der erfolgreichsten Nationalregisseure Italiens.
In Mario Monicellis „Guardie e ladri“(1951) gibt es eine schöne Szene: Voller Erzieherstolz lässt ein Kleinkrimineller seinen Sohn eine Hausübung vorlesen. Thema: Beschreiben sie den Herrn Papa. Schnell wird diesem klar, dass seine diebische Profession im Text recht deutlich durscheint. Verärgert zerreißt er ihn: „Aufsätze brauchen Fantasie! Lass dir was Schönes, Nettes, Rührendes einfallen! Was hat das echte Leben hier zu suchen?“Es ist ein Witz – aber man fragt sich, ob Monicelli selbst je Ähnliches zu hören bekam. Am „echten Leben“fehlte es nie in seinen Filmen.
Der aufgeweckte Journalistensohn ließ die Kinowelt früh aufhorchen: Schon sein 16mm-Debüt, die Franz-Molnar-Adaption „I ragazzi di via Paal“, bekam 1935 beim Filmfestival von Venedig einen Preis – ein Türöffner zur nationalen Traumfabrik. Dort verdingte sich Monicelli erst als Assistent, dann als Drehbuchautor, wirkte auch an Klassikern des Neorealismus wie „Riso amaro“mit. Mit Regiearbeiten mit den legendären Kino-Humoristen Steno und Toto` – letzterer spielt in „Guardie e ladri“den Vater – begann eine Laufbahn, die spätestens mit „I soliti ignoti“(1958) in höhere Gänge kam.
Dieser Film gilt als Geburtsstunde der „Commedia all’italiana“, zu deren Meister Monicelli wurde: In diesem Genre geht es vor allem darum, dass man trotzdem lacht. Der Plot – eine Gruppe Wirtschaftswunderverlierer planen einen Einbruch und machen dabei alles falsch – klingt nach Klamotte oder Krimi-Persiflage. Doch er ist im Grunde nur Vorwand für die Schilderung widriger All- tagsumstände einfacher Leute. „I soliti ignoti“wurde in Rom gedreht, das Stadtporträt ist um nichts weniger „realistisch“als das in Vittorio de Sicas „Fahrraddieben“. Die Figuren erinnern zwar an den Typenfundus der Commedia dell’arte, spiegeln mit ihrer Akzentpalette aber auch regionale Eigenheiten. Dass sie von Stars gespielt werden (Tot`o, Vittorio Gassman, Marcello Mastroianni, Claudia Cardinale) stört die Glaubhaftigkeit nicht.
Monicellis Sympathie galt stets den geschundenen Komparsen der italienischen Geschichte; in „La grande guerra“(1959) – leider wegen einer Aufführungssperre durch den Rechteinhaber aus der Schau gefallen – blickt man durch die Augen zweier Rekruten auf den Ersten Weltkrieg, die mit Patriotismus und Heldenmut nichts am Hut haben – damals ein kleiner Skandal. „I compagni“(1963) seziert auf unsentimentale Weise einen frühen Weber-Streik, Marcello Mastroianni gibt den schrulligen Agitator.
Alle diese Filme balancieren virtuos zwischen Zynismus und Humanismus. Für Monicelli war das Scheitern der Stoff, aus dem gute Komödien sind. Seine Landsleute waren einverstanden: Bis ins hohe Alter fand der Vielfilmer dankbares Publikum, zuletzt 2006 – vier Jahre vor seinem Tod. Nachrufe verglichen ihn mit Balzac, so hat auch diese Retrospektive des Untertitel „Die menschliche Komödie“. Er selbst sah eher Dickens als Vorbild. So oder so bezeugt sein OEuvre, was populäres Kino leisten kann, wenn es seinen Zuschauern auf Augenhöhe begegnet; am Ende ist das echte Leben interessanter – und witziger – als Schmeichelei und Belehrung.