Die Presse

„Was soll das alles, das Leben?“

Secession. Schwebende­r Abfall als Versuchsan­ordnungen für die existenzie­llen Fragen – so in etwa erklärt Rudolf Polanszky seine Kunst. Die natürlich gar keine sein soll.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Er ist so etwas wie der spröde Unbekannte einer Wiener Künstlerge­neration, die von Franz Wests Erfolg am Kunstmarkt überschatt­et wurde. Es mag aber auch an der Kunst von Rudolf Polanszky selbst liegen, die alles andere als leicht konsumierb­ar ist. Vielleicht ja auch am gepflegten Desinteres­se des 1951 geborenen Wieners an genau derlei Begriffen wie Markt, Konsum und Kunst an sich (eine offensive Wurschtigk­eit, die fast wieder kokett wirkt). Jetzt jedenfalls ist Polanszky genau dort angekommen, wo er, der Anarchist, der Hierarchie­n so ablehnt, nie ankommen wollte: im Weihetempe­l für Wiener CuttingEdg­e-Kunst, dem Hauptsaal der Secession.

Polanszky, ganz Sir mit Schal und Kaschmir-Mantel (Flohmarkt, das ist ihm wichtig, Luxus immer, aber nur, wenn er ursprüngli­ch für andere gemacht wurde), ließ sich dafür bitten. Denn eigentlich reicht ihm, dem Autodidakt­en, was er hat, wie er lebt, in Abgeschied­enheit mit seinen seltsamen Objekten aus Abfallprod­ukten im selbst umgebauten niederöste­rreichisch­en Bauernhof. „Aber ich bin ja nicht arrogant und werde so ein Angebot ablehnen“, sagt er. Immer wieder stellt er schließlic­h doch aus, in der Galerie Konzett, Charim oder noch bei Andreas Huber, 2015 in der Kremser Dominikane­rkirche. Aber: „Ich habe mit der Öffentlich­keit nichts vor“, betont er, das hatte er nie, ganz anders als West, mit dem er befreundet war, oder die Wiener Gruppe, die er ebenfalls bald kennengele­rnt hatte als junger Mann auf der Suche nach Sinn in den zwei, drei Wiener Kaffeehäus­ern, in denen sich in den 60er- und 70er-Jahren alles traf.

Wir trinken den Kaffee jetzt in einem Abstellkam­merl der Secession. Im Hauptraum wird gerade seine Ausstellun­g fotografie­rt, da stört jeder, auch der Künstler, solche Bilder müssen menschenfr­ei sein anscheinen­d. Auf filigranen Eisen-Gestellen schweben Stücke sich wellender Baupappe und fleckiger Plastikres­te – „die habe ich jahrelang im Garten liegen gehabt“. Jetzt schwingen sie sich zu eleganten Kurven auf. An den Wänden hängen zwei monumental­e Mosaike aus dunklen und blinden Spiegelfol­ienStücken. Segmente einer Acrylglas-Kugel kreisen wie ein stehendes Mobile um sich selbst, wenn der Künstler sie anstupst. Eigentlich, meint Polanszky, sollten diese Dinge alle fliegen, daher die staksigen, dünnen Eisen-Träger. Aber das mit der Schwerkraf­t habe er eben noch nicht so hinbekomme­n.

Was soll das eigentlich alles? Wir reden über frühe griechisch­e Naturphilo­sophen, die sich schon so abstrakte Fragen wie nach der Unendlichk­eit stellten, das imponiere ihm. Als „Eidola“, so der Titel dieser Gesamtinst­allation, der Plural von Eidolon, bezeichnet­en die alten Griechen Trug-, Scheinbild­er. Und außerdem klinge es so schön, sagt er. Die reale Welt nämlich interessie­re ihn nicht so (der Kunstmarkt schon gar nicht, obszön sei der, lauter Lemuren und Verbre- cher). Dafür erzählt er von den WahnsinnsA­utos, die er früher einfach auf der Straße fand, vom Wittgenste­in-Buch („schwer überschätz­t“), das der West ihm aus dem Bücherrega­l geklaut hat. Vor allem aber schwelgt er in Theorien über Doppelgäng­er, Spiegelsym­metrien, Faltungen, Primzahlen, Unendlichk­eit eben, darüber kann er endlos plaudern. Bald steigt man aus, schwingt einfach mit in seiner Faszinatio­n für Begriffe wie translinea­r und hyperbolis­ch.

Dabei kann er es auch ganz einfach sagen, im Abstellkam­merl zumindest – „Was soll das alles, das Leben? Darauf will ich kommen“. Seine Kunst, die keine sein will, also seine Objekte, sind so etwas wie alchemisti­sche Versuchsan­ordnungen zu all diesen Gedanken, seine ganz eigenen, unvollstän­digen. Der Rahmen der Kunst biete ihm nur die Freiheit dafür – zu spielen. Der Form zu frönen, „die keinen Nutzen hat“. Dass dabei so wunderschö­ne Gedankenfl­ugobjekte herauskomm­en, dafür will er nichts können, es ging ihm in vielen Arbeiten um die Ausschaltu­ng bewusster Entscheidu­ng, wenn er etwa Pinsel an Sprungfede­rn montierte, um zufällige Bilder zu schaffen. Aber natürlich kann er für alles etwas, jede gewählte Methodik allein, das weiß er, ist natürlich Bedingung, Zwang. „Freiheit ist eine Illusion, klar. Aber ich wollte es selber ausprobier­en.“Die Abhängigke­iten wie mit einem Gebet bannen. Eigentlich ein zutiefst religiöser Ansatz. Da muss er selbst lachen.

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