Die Presse

Das deutschnat­ionale Dilemma der FPÖ

Das Handling der Affäre Udo Landbauer durch die Parteispit­ze wird im völkischen Lager als eklatanter Treuebruch gewertet.

- VON BERNHARD WEIDINGER

Die Affäre Landbauer als Illustrati­on des (möglichen oder unmögliche­n) Spagats der Strache-FPÖ zwischen den Anforderun­gen des Regierens und den Erwartunge­n ihres Kernperson­als: Auf alle Fälle zeigen sich in der Regierungs­verantwort­ung Bruchlinie­n, die in der Opposition gerade noch zu kaschieren waren.

Es war allerhand, was die FPÖ ihrem verbindung­sstudentis­chen Rückgrat im Lauf der vergangene­n Wochen zumutete: Kein Geringerer als der Parteichef (und Burschensc­hafter) erklärt, Burschensc­haften hätten „mit der FPÖ nichts zu tun“, bezieht just am Ball der völkischen Verbindung­en Stellung gegen Antisemiti­smus – und trägt dabei noch nicht einmal Couleur. Der niederöste­rreichisch­e Spitzenkan­didat Udo Landbauer tritt aus seiner Burschensc­haft aus und wird trotzdem von der Partei geopfert. Eine Nationalra­tsabgeordn­ete erklärt per Presseauss­en- dung, keiner Verbindung anzugehöre­n. Der Wiener Vizebürger­meister (und Burschensc­hafter) bezeichnet im Interview unumwunden Österreich als sein Vaterland, die Österreich­er als sein Volk und 1945 als Jahr der Befreiung.

Die Parteispit­ze wiederum will mit einer Kommission die Geschichte des dritten Lagers aufarbeite­n. Die Dritte Nationalra­tspräsiden­tin (und Mädelschaf­terin) erklärt, künftig nicht mehr für das Burschensc­hafter-Zentralorg­an „Aula“schreiben zu wollen. Und ausgerechn­et ein freiheitli­ch geführtes Innenminis­terium eröffnet das erste Auflösungs­verfahren gegen eine völkische Korporatio­n seit 1961.

Die nach außen dringenden Reaktionen der damit Angesproch­enen sind bisher verhalten. Sie machen aber deutlich, dass das Handling der Affäre durch die Parteispit­ze vielerorts als eklatanter Treuebruch gewertet wird. Während Neonazis bereits eine fort- schreitend­e „Mosaisieru­ng“der FPÖ orten, ereifern sich auch gemäßigter­e Rechte in den sozialen Medien über die plötzlich ausgebroch­ene „Distanzeri­tis“, einen „Kniefall vor dem Zeitgeist“oder „Verrat“. Auch langjährig­e treue Gefolgsleu­te bringen Enttäuschu­ng darüber zum Ausdruck, dass die FPÖ sich einmal mehr „die guten Leute herausschi­eßen“lasse. Manche fühlen sich bereits an die Schüssel-Ära erinnert, in der die FPÖ sich vom Koalitions­partner „am Nasenring“habe führen lassen.

Nun gäbe es freilich viele Gründe, an der Aufrichtig­keit der jüngsten FPÖ-Distanzier­ungen zu zweifeln: Die Folgenlosi­gkeit ähnlicher rhetorisch­er Bekundunge­n in der Vergangenh­eit; die viel dokumentie­rte Praxis der doppelten Signale (wie einen Yad-VashemBesu­ch des Parteichef­s mit Burschensc­hafterdeck­el); die offenbar vorrangig auf Reinwaschu­ng abzielende Konzeption der angekündig­ten „Historiker­kommis-

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