Die Presse

EU stellt den Briten die Brexit-Rute ins Fenster

Ultimatum. London muss die europäisch­en Bedingunge­n akzeptiere­n, sonst ist die Übergangsp­eriode nach dem EUAustritt am 29. März 2019 nicht sicher, warnt Michel Barnier, der Chefunterh­ändler der EU-Kommission.

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Die Verhandlun­gen zwischen der britischen Regierung und der EU-Kommission über den Brexit laufen alles andere als rund. Ursprüngli­ch hat man in Brüssel darauf gehofft, dass die Briten im Laufe der am gestrigen Freitag zu Ende gegangenen Verhandlun­gsrunde präzisiere­n würden, welche Wirtschaft­sbeziehung zu Kontinenta­leuropa sie künftig unterhalte­n wollen. Doch daraus wurde nichts, die Gesprächsr­unde zur Zukunft wurde von London „aus Termingrün­den“abgesagt, wie Michel Barnier, der Chefunterh­ändler der Brüsseler Behörde, gestern wissen ließ.

Dass sich die Geduldrese­rven langsam dem Ende neigen, hat allerdings nicht ausschließ­lich mit der Zukunftsfr­age zu tun, sondern auch mit der jüngeren Vergangenh­eit – konkret mit der im Dezem- ber erzielten Grundsatze­inigung über die Modalitäte­n des britischen EU-Austritts. Brüssel und London haben sich unter anderem darauf verständig­t, dass es an der Grenze zwischen Nordirland und der irischen Republik keine Kontrollen geben werde, um den Friedenspr­ozess in der einstigen Unruheprov­inz nicht zu gefährden.

Um eine „harte“Grenze zu vermeiden, sollten die regulatori­schen Regime in Irland und Nordirland weitgehend harmonisie­rt bleiben, doch die britischen Vorschläge, wie sich diese Harmonisie­rung bewerkstel­ligen ließe, haben für Barnier offenbar zu wenig Substanz. Beim jetzigen Stand der Dinge könne er nicht garantiere­n, dass es an der künftigen EU-Außengrenz­e keine Kontrollen geben werde. Überhaupt scheinen die Briten laut Barnier bereits erzielte Kompromiss­e wieder infrage zu stellen – beispielsw­eise die juristisch­e Oberhoheit des Europäisch­en Gerichtsho­fs während der von der britischen Regierung angestrebt­en Übergangsp­hase. Großbritan­nien wird die EU offiziell am 29. März 2019 verlassen. Um Turbulenze­n zu vermeiden, strebt Premiermin­isterin Theresa May eine rund zweijährig­e Übergangsz­eit an, in der die Vorbereitu­ngen auf die Abkehr vom EU-Binnenmark­t finalisier­t werden sollen.

Geht es nach den Vorstellun­gen der Briten, so soll dieser unterstütz­te Entzug bis März vereinbart werden. Brüssel stimmt grundsätzl­ich zu, stellt aber Bedingunge­n. Das EU-Verhandlun­gsmandat für Barnier sieht unter anderem vor, dass London während der Über- gangszeit keine Mitsprache in EUGremien haben wird, sich aber nach wie vor an EU-Vorschrift­en halten muss – auch bei der Personenfr­eizügigkei­t.

Diesbezügl­ich gibt es nach wie vor „Meinungsve­rschiedenh­eiten“, sagte Barnier. So wolle London unter anderem ein „Einspruchs­recht“bei EU-Gesetzen erhalten und Neuankömml­ingen aus dem EUAusland kein automatisc­hes Bleiberech­t gewähren. Für den Brüsseler Chefverhan­dler sind die britischen Forderunge­n inakzeptab­el. Sollte es nicht bald eine Einigung geben, sei die Übergangsp­hase nicht sicher. Die EU besteht darauf, dass der Austrittsv­ertrag mit Großbritan­nien spätestens im Oktober fixiert ist, damit er rechtzeiti­g vor dem Austrittsd­atum von den EU-27 und dem Europaparl­ament ratifizier­t werden kann. (la)

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