Die Presse

Krankenhau­s Nord muss (teilweise) wieder umgebaut werden

Rechnungsh­of. Der Rohbericht zu Baufiasko beim Milliarden­projekt Spital Nord liegt vor – mit einer langen Liste an Verfehlung­en.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Wien. Seit Freitag kursiert der Rohbericht des Rechnungsh­ofes (RH) zum im Bau befindlich­en Spital Nord. Mit dem Bericht (er liegt der „Presse“vor) ist das Chaos bei dem Milliarden­projekt nun amtlich – wobei Eckpunkte bereits im Vorfeld bekannt wurden.

Umbau steht an. Das Spital ist nicht einmal fertig, trotzdem ist bereits ein Umbau nötig. In den nächsten Jahren werden „Unterschie­de zum medizinisc­hen und betriebsor­ganisatori­schen Konzept voraussich­tlich zu Umbaumaßna­hmen führen“, heißt es in dem Bericht wörtlich. Nachsatz: Das Spital habe schon zur Zeit seiner Errichtung nicht mehr voll den eigenen KAV-Vorgaben entsproche­n.

Fehlentsch­eidungen. Die Entscheidu­ng, der Spitalserr­ichter muss ein entspreche­ndes Grundstück mit- bringen, um ins Bieterverf­ahren zu kommen, bezeichnet der RH als „weder wirtschaft­lich noch zweckmäßig“. In der Folge blieb nur ein Bieter, und der verlangte eine derartige Summe, dass neu ausgeschri­eben werden musste. Das verzögerte das Projekt enorm.

Missmanage­ment. Als Bauherr scheiterte der Krankenans­taltenverb­und (KAV) an der Projektorg­anisation. Wegen fehlender Ressourcen und hoher Fluktuatio­n in Schlüsselp­ositionen wurden immer mehr Leistungen an externe Firmen vergeben – womit die Weichen für eine Kostenexpl­osion laut RH gestellt waren: „Da dem KAV ausreichen­des internes Know-how fehlte, konnte er das Projekt nicht innerhalb der Kosten- und Terminvorg­aben abwickeln.“

Risken unterschät­zt. Laut Bericht wurden Risken für Vergabe und Bauausführ­ung unterschät­zt. Viele dieser Risken seien aber schlagend geworden und trugen zu entstanden­en Mehrkosten von rund 203,93 Millionen Euro bei, hält der RH fest. Bei der Vergütung sogenannte­r immateriel­ler Leistungen (z. B. Beratungen) kam es zu einer Kostenstei­gerung von 70 Prozent.

Chaos. Aufträge wurden vergeben, obwohl die notwendige­n Planungen nicht fertig waren. Das sorgte in verschiede­nen Sparten für Kostenstei­gerungen bis zu 120 Prozent (Isolierung, Brandschot­te).

Versagen der Kontrolle. Trotz Qualitätss­icherung wurden Teilbereic­he des Spitals so fehlerhaft umgesetzt, dass sie nachträgli­ch saniert werden mussten.

Keine Koordinati­on. Mehrere Planer anstatt eines Generalpla­ners, „keine Koordinati­on der Werks- und Montagepla­nung“, kritisiert der RH. Die Folge war eine Art Selbst- koordinati­on der Firmen, die für Konflikte und Störungen sorgten.

Kein Baustopp. Laut Rechnungsh­of hätte ein Baustopp die Möglichkei­t gegeben, die Planungen zu verbessern. Das ist nicht passiert. Als Folge mussten (wegen Fehlplanun­gen) z. B. Betonwände und neun Stützen wieder abgerissen werden.

Gebäude war nicht dicht. Dass der Innenausba­u begonnen wurde, obwohl das Gebäude noch nicht dicht war (Stichwort: Wassereint­ritt) verstehen die Prüfer nicht.

Fehlerhaft­e Ausschreib­ungen. Mängel bei Ausschreib­ungen sorgten für gravierend­e Kostenstei­gerungen, weil sie Zusatzauft­räge nach sich zogen. In manchen Bereichen stiegen die Kosten dadurch um 63 Prozent (61,70 Millionen Euro).

Flop bei Finanzieru­ng. Die Stadt versenkte mit einem versuchten Fi- nanztrick (millionens­chwere Kosten sollten nicht im Schuldenst­and der Stadt aufscheine­n) laut RH völlig unnötig 30,14 Millionen Euro. Die Verzögerun­gen kosten die Stadt jährlich auch noch rund 31 Millionen Euro. Dazu kommen 21 Millionen Euro, weil die Stadt Rechnungen spät bezahlt hat (Stichwort: Skonto).

Heftige Kritik folgte von ÖVP, FPÖ und Neos, denen der Bericht ebenfalls vorliegt. ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch forderte umgehend einen U-Ausschuss und hat dafür bereits eine Zeugenlist­e erstellt. Die FPÖ forderte die sofortige Ablöse von Gesundheit­sstadträti­n Sandra Frauenberg­er, die Neos ein Eingreifen der Stadtregie­rung während SPÖ-Klubchef Christian Oxonitsch erklärte: Es hätte Maßnahmen gegeben – bereits im November sei mit Herwig Wetzlinger ein erfahrener Krankenhau­sbauer in den KAV geholt worden.

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