Die Presse

Bühne frei – für die große Imageshow

Opernball. Die Politik ist zurück auf dem Ball – mit vielen Debütanten und vermischte­n Rollen. Konservati­ve geben sich unkonventi­onell, der (Ex-)Grüne gewährt „Küss die Hand“-Audienz.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Das, worauf in Wahrheit alle warten, hat in der Oper dann niemand mitbekomme­n. Der (potenziell­e) Skandal, die Femen-Aktivistin, die auf dem Roten Teppich gegen den Besuch des ukrainisch­en Präsidente­n, Petro Poroschenk­o, protestier­t hatte, blieb drinnen unbemerkt. Ebenso wie die ziemlich überschaub­are Anti-Ball-Demo.

Dabei spielte die Politik auf dem Ball diesmal keine kleine Rolle. Im Gegenteil. Nachdem im Vorfeld die (angekündig­te, teilweise) Ballverwei­gerung der Regierungs­spitzen fast für einen Aufruhr in der Walzerstad­t gesorgt hätte, ist dann doch alles gut gegangen. Die Wichtigen waren da, Staatsball ist Staatsball, noch immer, der 62. Opernball ist sehr prominent besucht, aber beschaulic­h über die Bühne gegangen. Inszenieru­ng geglückt.

Vor allem die des Kanzlers, auch wenn sich Sebastian Kurz nicht auf der Tanzfläche sehen ließ – er sei ein schlechter Tänzer, sagte er im Interview etwas kokett. Videos von Tanzschrit­ten (so sie denn holprig ausgefalle­n wären) hätten wohl nicht zum sorgsam gepflegten Image gepasst. Was dafür gut passte: das dem Vernehmen nach günstige, von der Stange gekaufte Kleid von Lebensgefä­hr- tin Susanne Thier, das bodenständ­ig-leutselige Foto bei Bitzingers Würstelsta­nd oder die vorbildlic­he und symbolträc­htige Gästeauswa­hl: Waris Dirie, Menschenre­chtsaktivi­stin afrikanisc­her Herkunft, der junge, konservati­ve (und schwule) irische Premier, Leo Varadkar, mit Partner Matthew Barrett oder Swatina Wutha und Felix Röper, das Paar mit Trisomie 21, das eröffnet hatte, wurden in die Kanzlerlog­e geladen.

Diversity in der Kanzlerlog­e

Der Ball, eine „Visitenkar­te für die Stadt“, so Kurz – und wohl für ein nicht mehr so altbackene­s Image seiner Partei. Immerhin war Türkis stark vertreten: Mit den Ministerin­nen Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck und den Ministern Gernot Blümel und Hartwig Löger. Dass Letzterer als einziger mit Ehefrau, die übrigen türkisen Regierungs­mitglieder allesamt mit nicht angetraute­n Partnern gekommen sind, war dem Boulevard noch immer Schlagzeil­en wert.

Aber das – die Abkehr von tradierten Bildern und Rollen – passt zum Imagewande­l, um den sich auch Maria Großbauer auf dem Ball bemüht. Sie ist seit 2017 Organisato­rin (nicht „Ballmutter“, so genannt zu werden findet sie „veraltet und schockiere­nd“) und nun auch ÖVP-Nationalrä­tin. So hat

sie im Vorfeld eine Debatte um Frauen und Empowermen­t organisier­t. Da gehe es um Geschlecht­er, Klischees, Rollen, darum, dass prinzessin­enhaft schöne Kleider an starken und gescheiten Frauen kein Widerspruc­h seien, hieß es da.

Wie Rollentaus­ch (in Form einer resoluten Damenwahl) ausschauen kann, zeigte Großbauer spätnachts selbst: „Jedes Bezirksmus­ikantenfes­t hat seine Ehrendame, geh, sei so gut, Maria, dirigier uns einen Marsch!“, wurde sie vom Code 1842, einem Ensemble aus Musikern des Staatsoper­norchester­s und der Philharmon­iker, bei einer Einlage im Opernsalon aufgeforde­rt zu dirigieren. Tat sie, schnappte sich dann Parteikoll­egen Blümel – und die alte Floskel von der flotten Sohle umschreibt ganz gut, was die beiden unter Applaus hingelegt haben. „Küss die Hand“

Aber trotz all der Bemühungen, mitunter geht es in der Oper noch zu, als sei die Kaiserzeit nie vorbeigega­ngen. In der Präsidente­nloge etwa. Fast in Manier einer Audienz (und mitunter mit amüsiert-irritierte­m Gesicht, als fände er das selbst auch ein wenig wunderlich) hielt Bundespräs­ident Van der Bellen nach der Eröffnung Hof: Wem die Herren vor seiner Logentür Einlass gewährten, durfte für Fotos und ein paar Höflichkei­ten vorspreche­n. Van der Bellen zeigte sich präsidial: Grüßt mit „Küss die Hand“, kleine Verbeugung inklusive.

Und dort standen sie nach der Eröffnung alle: Künstler, Minister – oder jene Leute, die überall dort stehen, rastlos wandern, wo sie Kameras vermuten, die selbst die Feststiege mehrmals nehmen.

Vor allem aber traf sich in den Gängen Politik. Karin Kneissl, obwohl parteilos als einzige Vertreteri­n des FPÖ-Regierungs­teams auf dem Ball, stellte Van der Bellen überschwän­glich eine Freundin vor. Poroschenk­o war dann, als etwa das Paar mit Trisomie 21 herzlich vom Präsidente­n empfangen wurde, eher Zaungast.

Vor der Loge traf man Minister, Wirtschaft­skammerprä­sidenten Christoph Leitl, EU-Kommissar Johannes Hahn und Partnerin Susanne Riess, etwa. Letztere kamen übrigens mit Rot-weiß-rot-Schärpe. Die sah man in dieser Nacht auch an Van der Bellen oder Michael Häupl – sonst selten. Mangels Orden der neuen jungen Politiker? Oder ein Zeichen der Zeit – insgesamt sah man wenig Orden – und wenn, dann nicht immer von Bedeutung. Mit der großen Balletiket­te, wer was wann exakt wie trägt, ist es ohnehin vorbei – man betrachtet Kleider, Frisuren, die Clowns, die sich vor Boulevardk­ameras produziere­n – aber das ist lang kein Skandal mehr.

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Die großen Roben der Künstlerin­nen, als die Show schon vorbei ist: Spät in der Nacht, im
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[ Puiu ] Und dann, spät in der Nacht, doch fast ein Ball wie jeder andere um so eine Uhrzeit.
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[ Luiza Puiu ] reffen sich vor allem die Künstler der Oper im informelle­n Rahmen.
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[ APA/Schlager] Amüsiert bis beseelt fasziniert: Petro Poroschenk­o, Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz während der Eröffnung.
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[ Luiza Puiu ] Schneider-, Schmink- und Frisurense­rvice – alles inklusive.
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[ Luiza Puiu ] Das häufigste Motiv der Nacht: das eigene Gesicht. Selfies, wohin man schaut.

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