Das Geschäft mit einsamen Herzen
Dating-Markt. Als Parship im Jahr 2001 startete, hing Onlinedating ein Hauch von Verbotenem und Verzweiflung an. Heute findet sich jedes vierte Paar online. Der Markt ist groß und schnell geworden.
Johannes, 35 Jahre, bekommt vier von fünf Sternen. Schließlich war der Wiener mit dem Dreitagebart auf den bisherigen Dates charmant, hat keine pornografischen Bilder geschickt oder anzügliche Witze gemacht. Und er sah in natura sogar aus wie auf dem Foto.
Die Idee, Männer wie Taxifahrten oder Restaurants im Internet zu bewerten, stammt von den Machern des Pariser OnlinedatingAnbieters Once. Dieser entstand Ende 2015 und vermarktet sich seitdem als die romantische Alternative zum US-Phänomen Tinder. Die Franzosen haben Erfolg damit. Sechs Millionen Nutzer in acht Ländern gefällt die Idee, statt des riesigen Tinder-Katalogs mit potenziellen Partnern jeden Mittag einen einzigen Menschen am Handy präsentiert zu bekommen. Es könnte ja diesen Mittag der oder die Eine sein. Damit die Romantik im Internet keine Risse bekommt, soll man sich neuerdings an den Bewertungen anderer Dates orientieren können.
Tinder – und die Dutzenden Kopien, die in seinem Gefolge entstanden sind – kann man mögen oder nicht. Aber die 2012 gegründete US-Firma hat das Geschäft mit der Liebe mit der simplen Idee revolutioniert, die Standortdaten am Handy für die Suche nach dem Richtigen für den Abend oder das Leben zu nutzen. „Das war ein Multiplikator für die Branche, es hat eine neue, junge Zielgruppe freigegraben“, sagt Daniel Baltzer, der den Onlinedating-Markt seit 2000 mit seiner Firma Singelbörsen-Vergleich analysiert.
Im Jahr darauf startete am Valentinstag eine Seite namens Parship. Damals lernte sich ein Prozent der Paare im Internet kennen, heute ist es ein Viertel. Martin Dobner stieg 2002 ein, baute den österreichischen Markt auf und überwacht heute 13 Länder. Er erinnert sich: „Das ganze Thema hatte eine wirklich geringe soziale Akzeptanz.“Das Geschäftsfeld war neu und etwas verrucht. „Keiner wusste, was auf den Seiten genau passiert.“Tinder, sagt auch Dobner, hat die Eintrittsbarriere deutlich gesenkt und den Markt weg vom Laptop stärker auf das Handy verlagert. Aber abgesehen davon, dass sowohl bei Tinder als auch bei Parship ein Algorithmus die Paare zusammenführt, möchte er nicht mit der App assoziiert werden. „Wer etwas Langfristiges will, kommt zu uns. Mit Tinder-Absicht ist man falsch.“Der Wunsch sollte eher auf Kinder als Tinder abzielen.
2016 gingen die Hamburger Schwesterfirmen Parship und Elitepartner für 100 Mio. Euro mehrheitlich an die Pro7/Sat1-Gruppe. Sie waren Teil der groß angelegten Einkaufstour des Medienkonzerns, der sich neben den sinkenden TVEinnahmen ein zweites Standbein im Digitalbereich zimmert. Wieso hat er Interesse an Online-Partnerbörsen, die mit „Wir verlieren täglich Kunden“werben?
Der Spruch ist als Kompliment an die Treffsicherheit der Vermittlung gedacht. Analysten warnen dennoch, dass das Geschäftsmodell das Problem hat, dass ein zufriedener Kunde verloren geht. Da- rauf lassen die Firmendaten aktuell allerdings nicht schließen. Die Parship Elite Group, die im deutschsprachigen Raum dominiert, machte 2016 bei 120 Mio. Euro Umsatz 25 Mio. Euro Gewinn. Once konnte den Umsatz von 2016 auf 2017 von 1,9 auf zehn Mio. Euro heben. Dass man keine Gewinne schreibe, sei den hohen Marketingkosten geschuldet, sagt Co-Chefin Clementine´ Lalande.
Womit Lalande indirekt eine zweite Herausforderung anspricht. „Es gibt einen entscheidenden Wert: Wie viele Menschen auf deiner Onlineplattform sind“, sagt sie. Tinder, das drei Jahre vor Once startete, kann – ähnlich Amazon, dem Platzhirschen im Onlinehandel – die meisten Nutzer bei sich versammeln. Alle anderen müssen gute Ideen oder starke Werbemittel haben, um nachzuziehen. Denn Liebe sucht man dort, wo auch die meisten anderen nach Liebe suchen. „Wer ein paar hundert Euro in die Hand nimmt, will auch die größten Chancen haben“, sagt Dobner. Das gilt für seine Fir- ma, die von Kunden 30 bis 40 Euro im Monat verlangt. Das gilt für Tinder, bei dem von geschätzt 50 Millionen aktiven Nutzern 2017 laut dem Geschäftsbericht der börsenotierten Mutter Match.com drei Millionen Menschen für Zusatzpakete zahlen. Insgesamt setzte die Gruppe mit sieben Millionen zahlenden Nutzern in mehr als 190 Ländern 1,33 Mrd. Dollar um.
Weltweit sind laut Statista 294 Millionen Menschen auf der Suche nach dem nächsten Date im Netz. Österreicher machen einen Bruchteil aus. Laut Baltzers Daten nutzen rund 1,1 Millionen Österreicher aktiv Online-Angebote – darunter fallen aber nicht nur Tinder und Parship, sondern auch Seitensprungportale und Nischenangebote. Im deutschsprachigen Raum wird die Anbieterzahl auf 1800 geschätzt. Zu viele, sagt Dobner. Der Markt wird sich konsolidieren, ist er sicher. Seine Gruppe denkt an weitere mögliche Übernahmen.
Die kommende Woche dürfte aber allen Neukundschaft bringen. Am 14. Februar ist Valentinstag. Jeder in der Branche weiß: Feste wie dieses sind gut fürs Geschäft.