Die Presse

Das Geschäft mit einsamen Herzen

Dating-Markt. Als Parship im Jahr 2001 startete, hing Onlinedati­ng ein Hauch von Verbotenem und Verzweiflu­ng an. Heute findet sich jedes vierte Paar online. Der Markt ist groß und schnell geworden.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Johannes, 35 Jahre, bekommt vier von fünf Sternen. Schließlic­h war der Wiener mit dem Dreitageba­rt auf den bisherigen Dates charmant, hat keine pornografi­schen Bilder geschickt oder anzügliche Witze gemacht. Und er sah in natura sogar aus wie auf dem Foto.

Die Idee, Männer wie Taxifahrte­n oder Restaurant­s im Internet zu bewerten, stammt von den Machern des Pariser Onlinedati­ngAnbieter­s Once. Dieser entstand Ende 2015 und vermarktet sich seitdem als die romantisch­e Alternativ­e zum US-Phänomen Tinder. Die Franzosen haben Erfolg damit. Sechs Millionen Nutzer in acht Ländern gefällt die Idee, statt des riesigen Tinder-Katalogs mit potenziell­en Partnern jeden Mittag einen einzigen Menschen am Handy präsentier­t zu bekommen. Es könnte ja diesen Mittag der oder die Eine sein. Damit die Romantik im Internet keine Risse bekommt, soll man sich neuerdings an den Bewertunge­n anderer Dates orientiere­n können.

Tinder – und die Dutzenden Kopien, die in seinem Gefolge entstanden sind – kann man mögen oder nicht. Aber die 2012 gegründete US-Firma hat das Geschäft mit der Liebe mit der simplen Idee revolution­iert, die Standortda­ten am Handy für die Suche nach dem Richtigen für den Abend oder das Leben zu nutzen. „Das war ein Multiplika­tor für die Branche, es hat eine neue, junge Zielgruppe freigegrab­en“, sagt Daniel Baltzer, der den Onlinedati­ng-Markt seit 2000 mit seiner Firma Singelbörs­en-Vergleich analysiert.

Im Jahr darauf startete am Valentinst­ag eine Seite namens Parship. Damals lernte sich ein Prozent der Paare im Internet kennen, heute ist es ein Viertel. Martin Dobner stieg 2002 ein, baute den österreich­ischen Markt auf und überwacht heute 13 Länder. Er erinnert sich: „Das ganze Thema hatte eine wirklich geringe soziale Akzeptanz.“Das Geschäftsf­eld war neu und etwas verrucht. „Keiner wusste, was auf den Seiten genau passiert.“Tinder, sagt auch Dobner, hat die Eintrittsb­arriere deutlich gesenkt und den Markt weg vom Laptop stärker auf das Handy verlagert. Aber abgesehen davon, dass sowohl bei Tinder als auch bei Parship ein Algorithmu­s die Paare zusammenfü­hrt, möchte er nicht mit der App assoziiert werden. „Wer etwas Langfristi­ges will, kommt zu uns. Mit Tinder-Absicht ist man falsch.“Der Wunsch sollte eher auf Kinder als Tinder abzielen.

2016 gingen die Hamburger Schwesterf­irmen Parship und Elitepartn­er für 100 Mio. Euro mehrheitli­ch an die Pro7/Sat1-Gruppe. Sie waren Teil der groß angelegten Einkaufsto­ur des Medienkonz­erns, der sich neben den sinkenden TVEinnahme­n ein zweites Standbein im Digitalber­eich zimmert. Wieso hat er Interesse an Online-Partnerbör­sen, die mit „Wir verlieren täglich Kunden“werben?

Der Spruch ist als Kompliment an die Treffsiche­rheit der Vermittlun­g gedacht. Analysten warnen dennoch, dass das Geschäftsm­odell das Problem hat, dass ein zufriedene­r Kunde verloren geht. Da- rauf lassen die Firmendate­n aktuell allerdings nicht schließen. Die Parship Elite Group, die im deutschspr­achigen Raum dominiert, machte 2016 bei 120 Mio. Euro Umsatz 25 Mio. Euro Gewinn. Once konnte den Umsatz von 2016 auf 2017 von 1,9 auf zehn Mio. Euro heben. Dass man keine Gewinne schreibe, sei den hohen Marketingk­osten geschuldet, sagt Co-Chefin Clementine´ Lalande.

Womit Lalande indirekt eine zweite Herausford­erung anspricht. „Es gibt einen entscheide­nden Wert: Wie viele Menschen auf deiner Onlineplat­tform sind“, sagt sie. Tinder, das drei Jahre vor Once startete, kann – ähnlich Amazon, dem Platzhirsc­hen im Onlinehand­el – die meisten Nutzer bei sich versammeln. Alle anderen müssen gute Ideen oder starke Werbemitte­l haben, um nachzuzieh­en. Denn Liebe sucht man dort, wo auch die meisten anderen nach Liebe suchen. „Wer ein paar hundert Euro in die Hand nimmt, will auch die größten Chancen haben“, sagt Dobner. Das gilt für seine Fir- ma, die von Kunden 30 bis 40 Euro im Monat verlangt. Das gilt für Tinder, bei dem von geschätzt 50 Millionen aktiven Nutzern 2017 laut dem Geschäftsb­ericht der börsenotie­rten Mutter Match.com drei Millionen Menschen für Zusatzpake­te zahlen. Insgesamt setzte die Gruppe mit sieben Millionen zahlenden Nutzern in mehr als 190 Ländern 1,33 Mrd. Dollar um.

Weltweit sind laut Statista 294 Millionen Menschen auf der Suche nach dem nächsten Date im Netz. Österreich­er machen einen Bruchteil aus. Laut Baltzers Daten nutzen rund 1,1 Millionen Österreich­er aktiv Online-Angebote – darunter fallen aber nicht nur Tinder und Parship, sondern auch Seitenspru­ngportale und Nischenang­ebote. Im deutschspr­achigen Raum wird die Anbieterza­hl auf 1800 geschätzt. Zu viele, sagt Dobner. Der Markt wird sich konsolidie­ren, ist er sicher. Seine Gruppe denkt an weitere mögliche Übernahmen.

Die kommende Woche dürfte aber allen Neukundsch­aft bringen. Am 14. Februar ist Valentinst­ag. Jeder in der Branche weiß: Feste wie dieses sind gut fürs Geschäft.

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[ AFP ]

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