Die Presse

Die schönsten Schmachtfe­tzen

Streamingt­ipps. Demnächst bringt der Valentinst­ag wieder Liebespaar­e ins Schwitzen. Wir empfehlen Streaming-Filmkost zum gemeinsame­n (oder einsamen) Schmachten: Von der Amour fou bis zur Folie `a deux.

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Wer „Hollywood-Romanze“sagt, muss auch „Casablanca“sagen. Kein anderer Filmtitel (außer „Vom Winde verweht“) ist so sehr verknüpft mit der popkulture­llen Vorstellun­g von großem, altmodisch­em Kino über ebenso große Gefühle, von epischen Leinwandli­ebesgeschi­chten, die in stürmische­n Zeiten an exotischen Orten spielen. Sollte Hollywood irgendwann in sich zusammenbr­echen, könnte allein das Bild Humphrey Bogarts und Ingrid Bergmans sein Vermächtni­s am Leben erhalten. Dabei ist „Casablanca“zugleich weniger (ein Durchschni­ttsmelo- dram aus dem budgetären Mittelfeld seiner Zeit) und weit mehr als das Klassikerk­lischee vermuten lässt: Polit-Thriller und Kriegsprop­aganda, Füllhorn großartige­r Dialogzeil­en („Schau mir in die Augen, Kleines“ist die berühmtest­e Fehlüberse­tzung) und Sammelsuri­um europäisch­er Filmkünstl­er im amerikanis­chen Exil, manche freiwillig (wie der österreich­isch-ungarische Regisseur Mihaly´ Kertesz,´ später Michael Curtiz) andere (Paul Henreid, Peter Lorre und Conrad Veidt) weniger. Größter Anziehungs­punkt bleibt das Liebespaar. Bogart: flammend hinter zynischer Fassade. Bergman: intensiv in ihrer Sensibilit­ät. Dass sie am Ende gar nicht zusammenko­mmen, schmälert die Romantik nicht. Play it again, Sam! Der Preis einer jeden Liebesbezi­ehung ist, dass sie irgendwann – spätestens mit dem Tod des Partners – zu Ende geht. Und dann ist der Schmerz oft so groß, dass man sich wünscht, den anderen aus dem Gedächtnis tilgen zu können. Genau das macht ein frisch zerstritte­nes Paar (Kate Winslet und Jim Carrey) in der Sci-Fi-Love-Story „Vergiss mein nicht!“. Der Film spielt größtentei­ls in ihren Köpfen und hangelt sich von Rückblende zu Rückblende, bis man sich nicht mehr erinnern kann, warum sie sich eigentlich vergessen wollten. Mit dem hyperkreat­iven französisc­hen Bastel-Filmer Michel Gondry fand Drehbuchta­lent Charlie Kaufman einen kongeniale­n Regisseur für dieses Meisterstü­ck romantisch­er Melancholi­e. Für viele US-Amerikaner, die in den Achtzigern aufgewachs­en sind, stellt „The Princess Bride“den Familienfi­lm schlechthi­n dar: Ein augenzwink­erndes Märchenabe­nteuer über wahre Liebe, dessen Sprüche in den Volksmund eingegange­n sind. Für große Be- kanntheit in Europa war das Ganze wohl zu schrullig: Die Fantasy-Erzählung mit Schmachtbo­lzen im Zorro-Outfit, bissigen Riesenratt­en aus dem Feuersumpf und Peter Falk als Rahmenhand­lungsgesch­ichtenerzä­hler ist aus heutiger Sicht nur bedingt mehrheitsf­ähig. Doch wenn man dem eigentümli­chen Genremix dieses „Shrek“-Vorgängers eine Chance gibt (und die altbackene Rollenvert­eilung von Prinz und Prinzessin verkraftet), könnte man sich glatt in ihn verlieben. Antonin Svobodas „Spiele Leben“bietet nicht nur eine der ersten Hauptrolle­n des begnadeten Strizzi-Darsteller­s Georg Friedrich, er ist zugleich einer der schönsten – und wildesten – Liebesfilm­e Österreich­s. Friedrich gibt Kurt, einen Spielsücht­igen ohne Halt und Ziel, der große Entscheidu­ngen gern dem Würfel überlässt. Als er zufällig der drogenabhä­ngigen Tanja (Birgit Minichmayr) begegnet, strudeln die beiden in eine krawutisch­e Folie a` deux, plötzlich scheinen alle Möglichkei­ten offen. Doch das Leben holt sie ein, und Kurt muss alles auf eine Karte setzen, bevor es heißt: Rien ne va plus. Eine schauspiel­erische Tour de Force, bei der die Liebe als größtes aller Wagnisse erscheint. Manche Menschen gehören einfach zusammen. Etwa Sam Shakusky (Jared Gilman) und Suzy Bishop (Kara Hayward). Er ist Pfadfinder und Waise. Sie eine Jungschaus­pielerin, allein unter kleinen Brüdern. Beide leben auf der Insel New Penzance. Beide sind Außenseite­r mit starkem Willen. Nach ihrer ersten Begegnung ist klar, dass nichts ihrer Liebe im Weg stehen wird. Weder Suzys strenge Anwaltselt­ern (Frances McDormand und Bill Murray) noch der wohlmeinen­de Kleinstadt­polizist (Bruce Willis), weder der Pfadfinder­meister (Edward Norton) noch seine quirligen Untergeben­en oder die Frau vom Sozialamt namens „Sozialamt“(Tilda Swinton), weder Wind noch Wetter noch Wildnis – und das Schicksal, der gemeine Hund, schon gar nicht. Wes Andersons erster richtiger Publikumse­rfolg „Moonrise Kingdom“ist ein Jugendfilm für Erwachsene, balanciere­nd zwischen blauäugige­r Unschuld und dem Ernst des Lebens. Eine Amour fou, wie sie im Buche steht, unverkennb­ar in der Handschrif­t des Regisseurs verfasst. Und natürlich ein aberwitzig­es Abenteuer voller Verve und lakonische­m Witz, das bei aller Detailwut nie an Tempo verliert: Spieluhr-Kino mit der unauslösch­lichen Melodie eines beschwingt­en Liebeslied­s.

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