Die Presse

Eine neue Debatte über Abtreibung ist nur mehr eine Frage der Zeit

In den USA, aber auch in Europa zeigt sich ein neuer Trend zur Einschränk­ung der Selbstbest­immung der Frauen. In Österreich tauchen Zeichen an der Wand auf.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

Ab Montag können für das neue Frauenvolk­sbegehren „Es ist Zeit“die Unterstütz­ungserklär­ungen abgegeben werden. Mindestens 8401 würden das eigentlich­e Volksbegeh­ren ermögliche­n. Vor dem Hintergrun­d dessen, was in Europa in letzter Zeit an Absichten zur Rückabwick­lung gewisser Frauenrech­te auftaucht, ist die Behandlung der Themen Schwangers­chaftsabbr­uch und Verhütung eher beiläufig. Übersehen die Initiatori­nnen nicht etwas?

Man kann es auch so sehen: Mit harmlosen Forderunge­n wie Aufklärung, Sexkunde in den Schulen und Beratungss­tellen wollte man die kontrovers­ielleren – Verhütung und Abtreibung auf Krankenkas­senkosten, Pflicht öffentlich­er Krankenhäu­ser zum Schwangers­chaftsabbr­uch – quasi „zudecken“.

Jedenfalls tut sich etwas. Die Weigerung aller amtierende­n Ministerin­nen, das Volksbegeh­ren auch nur zu ermögliche­n – direkte Demokratie hin oder her – ist ein Zeichen. Ein weiteres lässt sich im Koalitions­pakt von ÖVP und FPÖ finden.

Vor der Wahl im Oktober 2017 waren die Freiheitli­chen laut Medienberi­chten wie SPÖ, Grüne und Neos dafür, den Zugang zu wirksamere­n Verhütungs­methoden kostengüns­tiger auszugesta­lten und ernsthafte „Beratungen in der kommenden Legislatur­periode“aufzunehme­n. Von all dem ist im Regierungs­programm keine Rede mehr. Mag sein, dass es schon als „Fortschrit­t“gilt, dass es (noch?) zu keinen ausdrückli­chen Einschränk­ungen gekommen ist.

Das wäre verständli­ch. Im Dezember 2017 hatte nämlich der Menschenre­chtsbeauft­ragte des Europarate­s, Nils Muiznieks, Rückschrit­te in Europa bezüglich des legalen Zugangs zu Abtreibung­en beklagt. Es gäbe immer mehr Staaten, die per Gesetz versuchten, diesen einzuschrä­nken. Der Versuch in Polen, ein absolutes Abtreibung­sverbot einzuführe­n, war nur ein Anzeichen dafür.

Erschwerte­r Zugang und Verbote lösen das Problem aber nicht, wenn auch Norbert Hofer im Präsidents­chaftswahl­kampf 2016 eher geschmackl­os gemeint hatte, die Gebärmutte­r sei der „Ort mit der höchsten Sterbenswa­hrscheinli­chkeit in unserem Land“. Vielleicht sollte er sich mit Irlands Ministerpr­äsidenten, Leo Varadkar, zu Besuch in Wien, unterhalte­n. Dieser lässt in dem zutiefst katholisch­em Land im Frühsommer ein Referendum über Straffreih­eit abhalten, weil Abtreibung­en die Realität, aber „nicht sicher, nicht geregelt und illegal sind“.

Gut, die FPÖ war immer abtreibung­skritisch. Noch hat sie den Kurs nicht merkbar verschärft. Aber es tut sich auch in Österreich etwas. Die Bestellung der eher radikalen Abtreibung­sgegnerin Gudrun Kugler zur ÖVP-Sprecherin für Menschenre­chte wird wohl nicht zufällig sein. Im November 2017 hat sie bei der Veranstalt­ung „Jugend für das Leben“gesprochen. Dort hieß es: „Wir wollen Abtreibung­en in Österreich undenkbar machen.“

Sollte es noch immer zutreffen, dass jede Entwicklun­g in den USA in zwei oder drei Jahren auf Europa durchschlä­gt, dann ist eine neue Auseinande­rsetzung um den Bauch der Frauen nur eine Frage der Zeit.

Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass die Republikan­er unter Donald Trump gesellscha­ftspolitis­ch ein wichtiges Ziel haben: das Urteil des Höchstgeri­chts von 1973 Roe v. Wade zur Straffreih­eit des Schwangers­chaftsabbr­uchs rückgängig zu machen. Schon wenige Tage nach Amtsüberna­hme strich Trump der Organisati­on Planned Parenthood finanziell­e Mittel. Wenig später erlaubte er Arbeitgebe­rn, ihren Dienstnehm­ern Verhütungs­mittel per Krankenver­sicherung zu verweigern. Jüngst verkürzte das Repräsenta­ntenhaus die Frist für legale Abtreibung.

Zu Beginn ihrer Karriere habe sie Frauen über die Grenze zur Abtreibung begleitet, sie wolle das am Ende nicht noch einmal tun müssen. Das sagte eine Professori­n aus Minnesota jüngst in einem privaten Gespräch. Vielleicht sollten die Vertreteri­nnen des Frauenvolk­sbegehrens hellhörige­r werden.

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VON ANNELIESE ROHRER

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