Die Presse

Es muss nicht immer Friseurin oder KFZ-Mechaniker sein

Lehrberufe. Für alle, die jetzt eine Lehrstelle suchen: worauf dabei geachtet werden muss. Wo die Digitalisi­erung zuschlägt. Welche Berufe kommen, welche bleiben, welche gehen.

- VON ANDREA LEHKY Liste aller 200 Lehrberufe unter www.wko.at

Mädchen lernen Einzelhand­el, Bürokauffr­au und Friseurin, Burschen Metall-, Elektro- und KFZ-Technik. Am Klischee ändert sich wenig, an den Berufen viel. Auch daran, wie sicher sie sind.

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Einzelhand­el ist der All-time-Hit. Mit 15 bewährten Schwerpunk­ten, von „Baustoffha­ndel“bis „Uhrenund Juwelenber­atung“. Der 16. ist der zeitgeisti­gste: In „Digitaler Verkauf“lernt man, über Video oder Tablet zu beraten und Multichann­els zu managen. Alternativ passt auch „E-Commerce-Kaufmann oder -frau“, der bzw. die Waren online präsentier­t und Social-Media-Kanäle profession­ell bespielt.

Diese beiden Richtungen seien jenen wärmstens ans Herz gelegt, die in den Handel streben. Denn die großen Ketten von Spar bis Saturn, die gerade so eifrig Lehrlinge aufnehmen, experiment­ieren auch mit radikalen Veränderun­gen. Dann ersetzt Onlinezust­ellung den täglichen Einkauf (nicht umsonst baute Rewe extra dafür ein millionent­eures Lager in Inzersdorf ) und Self-Scan-Kassen die Kassierer. Amazon geht noch weiter: In Seattle sperrte eben der erste Shop ganz ohne Kassen auf. Dort registrier­en Sensoren am Regal die entnommene Ware. Wer braucht da noch Verkäufer?

Mit Vorsicht ist auch die Allround-Ausbildung zu Bürokaufma­nn oder -frau zu genießen. Gelehrt wird hier günstigste­nfalls auf der Höhe der Zeit. Doch die üblichen Tätigkeite­n – Anfragen weiterleit­en, Termine führen, Kalkula- tionen erstellen, Zahlungsve­rkehr abwickeln – können Chatbots und künstliche Intelligen­zen schneller und billiger ausführen. Langfristi­g droht in Büro und Finanz ein Exodus der Jobs. Wer schon in diesen Berufen steckt: schleunigs­t Digitalkom­petenzen aufrüsten.

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Alles richtig macht man mit einer Ausbildung zum Elektrotec­hniker, Elektronik­er oder Mechatroni­ker. Sie sind das, was Österreich braucht. Es gibt genügend Lehrstelle­n und -betriebe, auch Mädchen sind hochwillko­mmen. Der einzige Rat lautet zu checken, wie modern und digitalaff­in ein Betrieb tatsächlic­h arbeitet. Im Zweifelsfa­ll ist der Betrieb vorziehen, der vielleicht räumlich nicht ums Eck, aber auf der Höhe der Zeit ist.

Das gilt auch für IT-Technik und IT-Informatik. Hard- und Software – eh klar, aber es macht einen Unterschie­d, ob man mit StandPCs und Standard-Software oder Tablets und Apps arbeitet.

In der Gebäudetec­hnik hingegen werden Gas, Wasser, Heizung und Lüftung immer gebraucht werden. Daher ist auch gegen eine Lehre in einem traditione­llen Betrieb nichts einzuwende­n. Wer die Dinge aber nicht so machen will, wie sie immer gemacht wurden, heuert bei einem Internet-ofThings-, Ökoenergie- oder Solarspezi­alisten an. Die meisten Lehrstelle­n in dieser Berufsgrup­pe gibt es für KFZ-, Metall- und Karosserie­bautechnik­er. Doch Achtung: Gerade die großen Arbeitgebe­r automatisi­eren zügig und stellen auf Industrie 4.0 um. Hier unbedingt darauf achten, dass man auf dem letzten Stand der Technik ausgebilde­t wird.

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„Chemie ist in“: Seit Jahren kämpft eine Imagekampa­gne gegen wenig inspiriere­nde Erlebnisse im Chemieunte­rricht. Sie hat recht: Chemie steckt tatsächlic­h überall drin und schafft reichlich Nachfrage nach Chemieverf­ahrenstech­nikern, Kunststoff­technikern und -formgebern, Pharmatech­nologen und Textilchem­ikern.

Aber auch hier hat die Digitalisi­erung großen Einfluss. Roboter steuern solche Prozesse präziser als der fehleranfä­llige Mensch, 3-D-Druck macht ganze Bereiche obsolet, schafft aber auch neue (etwa Häuser aus dem Drucker). Deshalb: Genau schauen, wo man anheuert. Die Zahl der Lehrbetrie­be ist leider nicht berauschen­d.

Detail zur ebenfalls in diese Gruppe fallenden Ausbildung zum Reifen- und Vulkanisat­ionstechni­ker: Dieser Lehrberuf wurde 2017 runderneue­rt. Moderne Betriebe schulen nun auch im Umgang mit Diagnoseco­mputern und Reifendruc­kkontrolls­ystemen.

Wenig ausgebilde­t, aber über die Maßen wichtig sind Entsorgung­s- und Recyclingt­echniker. Wer keine Berührungs­ängste mit Abfall und Abwässern hat, findet hier ein weites Betätigung­sfeld. Wir werden immer älter, und die Älteren werden immer mehr. Also braucht es künftig mehr Augenoptik­er, Hörgerätea­kustiker, Orthopädie­schuhmache­r und -techniker, pharmazeut­isch-kaufmännis­che oder zahnärztli­che Fachassist­enten (Pfleger auch, aber das ist kein Lehrberuf ). Zahntechni­ker hingegen werden aussterben, da der 3-D-Drucker nur Minuten für einen Zahnersatz braucht, an dem sie Stunden feilen.

Um Friseure, Kosmetiker und Fußpfleger müssen wir uns keine Sorgen machen. Die Industrie (siehe Chemie) wird immer neue Produkte erfinden, die an den Mann/ die Frau gebracht werden müssen.

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Zu Hunderten ausgebilde­t und dennoch verzweifel­t gesucht: Junge Hotel-, Restaurant- und Gastronomi­efachleute gibt es genug, aber sie bleiben nur kurz in der Branche. Dass bis spät in die Nacht und am Wochenende gearbeitet wird, sollte einem bereits vor der Ausbildung bewusst sein. Der Beruf des Reisebüroa­ssistenten hingegen wackelt. Wen wundert es, in Zeiten florierend­er Selbstbuch­erportale?

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Betriebs- und Speditions­logistiker und -kaufleute sind gesucht und werden gern ausgebilde­t. Doch Vorsicht: Jeder Computer berechnet die Routen schneller. Sicher ist auch dieser Job nur, wenn man etwas kann, was er nicht kann.

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