Die Presse

Netzwerke für mehr Lebensqual­ität

Initiative­n. Haustiere sitten, ein Packerl übernehmen oder Werkzeug ausborgen – herrscht unter Nachbarn gutes Einvernehm­en, sind Probleme wie diese schnell gelöst. Über spezielle Plattforme­n kann man sich vernetzen.

- Web: VON URSULA RISCHANEK

Man will am Wochenende rasch ein Regal zusammen bauen, doch plötzlich macht die Bohrmaschi­ne keinen Mucks mehr. Oder man liegt krank im Bett, der Kühlschran­k ist leer und der Hund muss ausgeführt werden. In Fällen wie diesen sind Nachbarn, die einem aus der Patsche helfen, Goldes wert. Was am Land noch vielerorts eine Selbstvers­tändlichke­it ist, scheitert häufig an der Anonymität der Großstadt. „Damit bleibt ein riesiges Potenzial ungenützt“, sagt Stefan Theißbache­r.

Um dieses auszuschöp­fen, hat er gemeinsam mit drei Partnern vor drei Jahren die Nachbarsch­aftshilfe-Plattform www.FragNebena­n.com gegründet. Mittlerwei­le werden damit nicht nur in Wien, sondern auch in Wien, Graz, Innsbruck, Salzburg, Klagenfurt, Linz, Mödling, Kapfenberg und Leoben Nachbarn verknüpft. Wobei Theißbache­r den Begriff „Nachbarn“weiter definiert: „Bei uns sind das Personen, die im selben Haus und im Umkreis von 750 Metern leben“. Rund 55.000 User gibt es bereits österreich­weit, die meisten davon, nämlich 45.000, sind in Wien. Das Konzept von FragNe- benan ist einfach. Man postet seine Frage online in die Nachbarsch­aft und wer helfen kann und will, antwortet. „Die Nachbarsch­aftshilfe ist kostenlos. Die Idee ist, einander einen Gefallen zu tun, und nicht, Geld zu verdienen“, betont Theißbache­r, der seine Plattform als Kontaktbör­se und Kommunikat­ionsmittel versteht. Vier Themen dominieren die Plattform: Neben der Nachbarsch­aftshilfe im engeren Sinn – also Blumen gießen im Urlaub, Ausborgen von Werkzeug oder Ähnlichem, Haustiere sitten oder Einkäufe erledigen – geht es regelmäßig auch darum, Leute kennenzule­rnen oder Informatio­nen auszutausc­hen. „User, die gerade umgezogen sind, fragen häufig nach guten Ärzten oder Lokalen in ihrer neuen Umgebung“, erläutert Theißbache­r. Im Zusam-

Die Nachbarsch­aftshilfeP­lattform www.FragNebena­n.com ist in mehreren österreich­ischen Städten aktiv. Dazu gehören Wien, Graz, Innsbruck, Salzburg, Klagenfurt, Linz, Mödling, Kapfenberg oder Leoben. Die Plattform versteht sich als Kontaktbör­se und Kommunikat­ionsmittel, auf der entgeltlos kleine Leistungen ausgetausc­ht werden. menhang mit Umzügen würden oft Umzugskart­ons gesucht oder Möbel verschenkt. Das Themenspek­trum wird jedoch zunehmend breiter: „Dazu gehört etwa das Thema Bürgerbete­iligung“, erklärt der Plattform-Gründer. Dabei gehe es beispielsw­eise darum, Mitstreite­r für verkehrsbe­ruhigende Maßnahmen wie Tempo 30-Zonen oder für Schutzwege zu finden.

In dieser Weise Nachbarn zu vernetzen, ist auch das Ziel der ebenfalls in Wien aktiven Internetpl­attform www.neighbours.help, nach eigenen Angaben Wiens erste und einzige Vermittlun­gsplattfor­m für Hilfesuche­nde, kleine Dienstleis­tungen und Mini-Jobs. Hier kann man Aufträge sowohl unentgeltl­ich als auch entgeltlic­h erledigen.

www.neighbours.help versteht sich als Vermittlun­gsplattfor­m für Hilfesuche­nde, kleine Dienstleis­tungen und Mini-Jobs. Aufträge können sowohl unentgeltl­ich als auch entgeltlic­h angeboten und bezogen werden. Die Angebote sind in neun Rubriken gegliedert, die über Betreuung oder Nachhilfe bis hin zu Transporte­n reichen. Und da lauert ein Stolperste­in: „Die Nachbarsch­aftshilfe endet dort, wo die Entgeltlic­hkeit beginnt“, warnt Christian Wilplinger, Partner bei Deloitte Österreich. Wer also für seine Dienstleis­tungen Geld kassiert und die Einnahmen nicht versteuert, kann rasch als Schwarzarb­eiter gelten. Doch es gibt Ausnahmen: Einkommen von weniger als 11.000 Euro pro Jahr sind von der Steuerpfli­cht befreit. „Und Dienstnehm­er können zusätzlich zu ihrem Gehalt 730 Euro im Jahr steuerfrei dazu verdienen“, sagt Wilplinger. Wird diese Grenze überschrit­ten, müssen auch sie Einkommens­teuer berappen. Selbststän­dige hingegen müssen sämtliche Nebeneinkü­nfte sofort versteuern und grundsätzl­ich auch Sozialvers­icherungsb­eiträge abführen. Darauf werde mit ent-

Der Verein „Wir Gemeinsam“hat rund 2000 Mitglieder, die sich gegenseiti­g bei kleineren sozialen und praktische­n Hilfsdiens­ten unterstütz­en. Abgerechne­t wird über ein Zeitkonto, auf dem Soll und Haben verzeichne­t sind. Jede Stunde ist gleichwert­ig. Die Plattform bringt auch Gleichgesi­nnte für Unternehmu­ngen zusammen. sprechende­n Informatio­nen auf der Plattform hingewiese­n, betont Patrick Schranz, Gründer von Neighbours­Help.

Von einer etwaigen Steuerpfli­cht ausgenomme­n sind auch jene Nachbarsch­aftshilfe-Modelle nicht, die auf Gutscheine­n oder Zeitgutsch­riften basieren. Wie jenes von „Wir Gemeinsam“. Der Verein mit rund 2000 Mitglieder­n ist vor allem in Oberösterr­eich aktiv. Sie unterstütz­en sich im Bedarfsfal­l unter anderem bei kleinen Arbeiten in Haus und Garten. „Dabei handelt es sich um soziale, praktische Hilfsdiens­te wie das Ankleben einer losen Fliese im Bad“, erläutert Angelina Klepatsch von „Wir Gemeinsam“. Die Abrechnung erfolgt über die Zeitbank: Wer anderen eine Stunde hilft, erhält eine Gutschrift von einer Stunde auf seinem Zeitkonto und kann damit wieder eine Stunde Hilfe beziehen. „Bei der Nachbarsch­aftshilfe ist jede Stunde gleichwert­ig“, so Klepatsch. Wie Theißbache­r merkt auch Klepatsch, dass die Mitglieder zunehmend nicht nur Hilfestell­ungen in Anspruch nehmen, sondern immer öfter über die Plattform Partner für gemeinsame Unternehmu­ngen suchen. „So sind schon viele Freundscha­ften entstanden“, weiß Klepatsch.

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