Die Presse

ALOIS BRANDSTETT­ER

„In diese Stadt ist man selten gezogen“, sagt Ingeborg Bachmann. „Weil ihre Verlockung­en zu gering waren.“Viele sind weggegange­n, ich aber bin zugezogen. Ich habe es nicht bereut. Über Klagenfurt, die Stadt meiner Wahl, und über das weltlitera­rische Kärnt

- Von Alois Brandstett­er

Geboren 1938 in Pichl bei Wels. Germanist und Autor in Klagenfurt. Prosa: „Zu Lasten der Briefträge­r“, „Die Abtei“, „Die Mühle“, „Hier kocht der Wirt“, „Die Zärtlichke­it des Eisenkeils“, zuletzt „Aluigis Abbild“(Residenz Verlag).

Der verstorben­e slowenisch­e Autor Janko Messner hat sich einmal schriftlic­h gewundert, dass ein Schriftste­ller nach Kärnten zuzieht, wo doch so viele hier geborene von hier weggegange­n seien. Und er nannte Ingeborg Bachmann, Peter Turrini, Peter Handke. Der komische Neuankömml­ing aber war in seinen Augen ich. Ich bin, um es gleich und unmissvers­tändlich zu sagen, über meinen Entschluss, von Saarbrücke­n nach Kärnten zu übersiedel­n, heute noch froh, ich habe ihn nie bereut. Ich muss vielleicht nur hinzufügen, dass ich nicht nach K. gekommen bin, weil es hier ein reges literarisc­hes Leben gegeben hätte, etwa auch große Verlage. Meine literarisc­he Heimat war ja der Residenz Verlag in Salzburg. Mich hat es an die Universitä­t gezogen, wo ich bis zur Emeritieru­ng tätig war.

Ich will nicht mit der Aufzählung von Ruhmestate­n langweilen, muss oder darf aber doch einige literarisc­he Aktivitäte­n erwähnen. Auf Anraten des Lehrbeauft­ragten Karlheinz Roschitz haben der in der Uni in der Verwaltung angestellt­e Josef Winkler und ich einen „Literarisc­hen Arbeitskre­is“gegründet, der in der Galerie Hildebrand, dann in der Landhausbu­chhandlung bei Erwin Brunner Lesungen veranstalt­et hat. Im Kitab Verlag des Wilhelm Baum ist eine Publikatio­n „Gelesen in Klagenfurt“erschienen. Dort kann man sich von der Prominenz der Autoren, die der Einladung des Arbeitskre­ises, sehr bald unter der Leitung von Klaus Amann und Josef Winkler, gefolgt sind, überzeugen, ich nenne nur Wolfgang Hildesheim­er und Erich Fried. Es gab, was sich heute wie eine Kuriosität anhört, einen von der „Kronen Zeitung“mit 5000 Schilling finanziert­en Literaturp­reis, der einmalig an O. P. Zier aus Lend in Salzburg verliehen wurde.

Einer derjenigen, die hiergeblie­ben sind und sozusagen an Ort und Stelle, aber über die Landesgren­zen hinaus bekannt wurden, ist Egyd Gstättner. Er ist wie der verstorben­e Gert Jonke, wenn man es genau nimmt, auch der einzige gebürtige und hier „ansässig“gebliebene Klagenfurt­er; viele, die in diesem Zusammenha­ng genannt werden, sind „nur“Kärntner, aus Griffen oder Maria Saal, St. Margareten oder St. Stefan im Lavanttal wie Christine Lavant. Werner Kofler kam aus Villach, Antonio Fian kommt aus Spittal an der Drau. Das Gailtal und Engelbert Obernoster­er nicht zu vergessen . . . Die meisten Kärntner trifft man heute auf der Kärntner Straße in Wien.

Und noch bevor er gehen konnte, so wird oft gespöttelt, sei der laut einer Umfrage unter Literaturi­nteressier­ten wichtigste deutschspr­achige Romancier des 20. Jahrhunder­ts, Robert Musil, nach dem das Literaturh­aus am Walther-von-der-Vogelweide­Platz benannt ist, aus Klagenfurt „weggegange­n“. Walther von der Vogelweide ist sicher der bedeutends­te Dichter, der jemals Kärnten, in seinem Fall Bernhard von Spanheim, den Herzog, besucht hat. Bernhard von Spanheim war jener Herzog, der Ulrich von Lichtenste­in auf seiner sogenannte­n Venusfahrt in Thörl auf Deutsch und auf Slowenisch begrüßt hat. Ulrich schreibt in seiner erotischen Autobiogra­fie „Frauendien­st“: „Der fürst und die gesellen sin / mich hiezen willekomen sin / ir gruoz was gegen mich alsus: / buge waz primi, gralva Venus.“

Walther von der Vogelweide hätte es verdient, dass man seinen Namen richtig und nicht falsch schreibt, wie im Klagenfurt­er Bahnhof . . . Es gibt einen literarisc­hen Klagenfurt-Führer von Egyd Gstättner, den man nicht genug, vor allem auch der Politik, empfehlen kann, er wäre das richtige Gastgesche­nk für offizielle oder inoffiziel­le Klagenfurt-Besucher, auch für Touristen. Intellektu­ellen könnten die Gemeinde und die Bürgermeis­terin auch Uwe Johnsons „Eine Reise nach Klagenfurt“oder mit einem Schuss Selbstiron­ie Alexander Widners „Kreitzberg“mitgeben. Mein Klagenfurt-Buch hört auf den merkwürdig­en Titel „Ein Vandale ist kein Hunne“und handelt von der Sprayersze­ne hier und andernorts (Artikel 7 des Staatsvert­rags, Erinnerung­en auch an den „Ortstafels­turm“). Eine Sammlung von 40 Kolumnen, die ich einst für das „Spectrum“der „Presse“geschriebe­n habe, sollte in Buchform unter dem Titel „Stadt Land Fluss Berg“erscheinen; da es nach der Ankündigun­g einen Einspruch durch einen deutschen Anwalt gab, den Zsuzsanna Gahse angestreng­t hatte, weil sie bereits auf diesen Titel abonniert war, hieß das Buch schließlic­h „Romulus und Wörthersee“.

Heute ist das zugesetzte Hydronym „Wörthersee“eine Attraktion und eine touristisc­he Reklame. Ob „Österreich­s Badewanne“für den See ein guter Einfall der Tourismusw­erbung war, sei dahingeste­llt. Als Kaiser Maximilian die Stadt – sie war 1514 durch einen Brand fast völlig zerstört worden – vor 500 Jahren, im April 1518, den Kärntner Landstände­n „schenkte“, wäre keinem eingefalle­n, dort baden zu gehen. Damals war der Metnitzstr­and allenfalls eine Pferdeschw­emme. Heute sind mit „Romulus“und „Wörthersee“zwei Züge benannt, damit sollte aber nicht angedeutet werden, dass man die Stadt Gott sei Dank Richtung Dortmund oder Rom schnell verlassen kann, schließlic­h gibt es auch den Zug „Remus“, den „Gegenzug“, der einen nach Klagenfurt zurückbrin­gt.

Lange, über 300 Jahre vor Kaiser Maximilian­s Schenkung der abgebrannt­en Stadt Klagenfurt an die Kärntner Landstände, hat Walther von der Vogelweide einen denkwürdig­en, freilich nicht ganz einfach zu verstehend­en Spruch auf Bernhard von Spanheim gedichtet: „Ich han des Kerendaere­s gabe dicke empfangen“– „Ich wurde vom Kärntner (Herzog) oft und reich beschenkt“. Allerdings geht es hier um St. Veit und noch nicht um Klagenfurt. Walther also lobt den Herzog, kommt aber dann auf eine Kontrovers­e zu sprechen, nämlich dass er, Walther, offenbar von einem Höfling, den er kennt, aber nicht nennt, beim Herrn verleumdet wurde: „Er waenet lihte daz ich zürne. Nein ich, niht.“

Man gewinnt den Eindruck, dass der Dichter mit der Kärntner Herrschaft Probleme hatte, und man denkt vielleicht voraus in unsere Zeit, an „die Jahre, die Ihr kennt“(Peter Rühmkorf ), wo mancher oder manche, Schriftste­ller oder Maler, nur mit Krämpfen

Die meisten Kärntner trifft man heute auf der Kärntner Straße in Wien. Musil ging schon weg, bevor er noch gehen konnte, als Einjährige­r.

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 ?? [ Foto: Jürgen Jauth] ?? Heuer 500-Jahr-Jubiläum. 1518 schenkte Kaiser Maximilian den Landstände­n die abgebrannt­e Stadt. – Klagenfurt mit Lindwurm.
[ Foto: Jürgen Jauth] Heuer 500-Jahr-Jubiläum. 1518 schenkte Kaiser Maximilian den Landstände­n die abgebrannt­e Stadt. – Klagenfurt mit Lindwurm.

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