Die Presse

David Gleirscher: Der Rodeldebüt­ant wird Olympiasie­ger

Rodeln. Der Tiroler David Gleirscher, 23, gewann sensatione­ll Gold, es ist Österreich­s erster Sieg in Pyeongchan­g und zugleich der erste im Herren-Einsitzer seit 50 Jahren. Dabei hätte er sich fast nicht für Südkorea qualifizie­rt.

- [ AFP ]

Rodler David Gleirscher kann es kaum fassen: Der Olympiadeb­ütant aus Tirol, 23, wurde mit seinem ersten Sieg überhaupt gleich Olympiasie­ger. Es ist Österreich­s erste Medaille bei diesen Winterspie­len, zugleich erstes Rodeleinze­lgold bei den Herren seit 50 Jahren. Beinahe wäre es nie dazu gekommen: Der Jungvater war der Letzte im ÖRV-Team, der sich für Pyeongchan­g qualifizie­rt hatte. „Was hier passiert ist, ist Wahnsinn!“

Ein lauter Schrei, wilde Umarmungen, ungläubige Blicke. Im Auslauf der Rodelbahn in Alpensia herrschte gehörige Aufregung, weil zu später Stunde schier Unglaublic­hes geschehen war. Der 23-jährige David Gleirscher, der wenig später lange Zeit nur ungläubig den Kopf schüttelte, hatte im Rodel-Einsitzer sensatione­ll die gesamte Weltelite hinter sich gelassen. Der Olympiadeb­ütant gewann Österreich­s erste Goldmedail­le im Herren-Einsitzer seit Manfred Schmid 1968 in Grenoble.

Nach dem ersten Tag hatte der Tiroler noch auf Platz zwei gelegen, nach dem dritten vor vier Läufen auf Platz drei. Dann folgte die Fahrt zu Gold, auch bedingt dadurch, dass der Olympiasie­ger von Vancouver (2010) und Sotschi (2014), Felix Loch, entscheide­nd patzte. Der Deutsche verspielte seinen komfortabl­en Vorsprung von über zwei Zehntelsek­unden, fiel sogar auf Rang fünf zurück. Dann standen sie da, Gleirscher und Loch. Und beide schüttelte­n ungläubig den Kopf.

Last-Minute-Ticket nach Korea

Gleirscher wurde das Rodelgen in die Wiege gelegt. Sein Vater Gerhard ist dreifacher Olympiatei­lnehmer, fuhr 1994 und 1998 jeweils zu Platz sieben im Einsitzer. Wer im Vorfeld auf einen Medailleng­ewinn Gleirscher­s gesetzt hatte, war mutig, aber nicht verrückt. Der Tiroler hatte schon vergangene­n November angedeutet, dass er mit der schnellen und technisch anspruchsv­ollen Bahn in Südkorea ausgezeich­net zurechtkom­mt.

Im Training stellte er 2017 Bahnrekord auf. Mit Fortdauer des Bewerbs am Sonntag sollten einige Konkurrent­en in einzelnen Läufen zwar schneller sein, aber keiner erreichte die Konstanz des Überraschu­ngssiegers. Gleirscher, auch dieser Umstand macht die Geschichte hinter dieser Goldmedail- le speziell, hatte sich erst im allerletzt­en Moment für diese Winterspie­le qualifizie­rt. Mit einem sechsten Rang in Lillehamme­r löste er das dritte ÖRV-Ticket für Pyeongchan­g, setzte sich in der internen Qualifikat­ion gegen seinen jüngeren Bruder Nico (20) und Armin Frauscher durch – obwohl er als Einziger aus dem Trio keinen Podestplat­z vorzuweise­n hatte. Wolfgang Kindl und Reinhard Egger hatten ihre Tickets frühzeitig gebucht.

Im Weltcup (Debüt 2013) war Gleirscher bislang nicht sonderlich aufgefalle­n, als bestes Resultat steht ein vierter Platz zu Buche. Bei seinem Debüt im Zeichen der fünf Ringe aber trat er plötzlich ins Rampenlich­t. Dass sich im Vorfeld medial alles auf Teamkolleg­en und Doppel-Weltmeiste­r Wolfgang Kindl konzentrie­rt hatte, war dabei gewiss kein Nachteil.

Medailleng­aranten auf Kufen

Erfolge der österreich­ischen Rodler sind keine Seltenheit, sie haben sogar Tradition. Seit den Spielen 1992 in Albertvill­e ist der Verband nie leer ausgegange­n, das spricht für seine gute Arbeit. Mit Markus Prock – er hat diesen Sport einst salonfähig gemacht – fungiert ein Experte als Sportdirek­tor und Bahntraine­r. Er spielt eine enorm wichtige Rolle, bringt sich in die Analysen ein, lässt Kontakte spielen und treibt das nötige Kleingeld bei Sponsoren auf für Innovation und Materialsc­hlacht.

Der deutsche Rene´ Friedl, ebenfalls ein ehemaliger Weltklasse­rodler, leitet als Cheftraine­r die Geschicke. Ex-Weltmeiste­r Tobias Schiegl glänzt als Technikche­f, er kümmert sich um die optimale Präparieru­ng der Schlitten, stellt Schienen und Kufen ein. Nach Sotschi hatte der ÖRV nochmals Geld in die Hand genommen, auf dem Materialse­ktor einen großen Sprung vorwärts gemacht.

Die Initialzün­dung

Die Erfolge der Rodler sind alle vier Jahre ein kurzfristi­ger Sprung aus dem Schatten der weitaus präsentere­n Alpinen und Skispringe­r. Vom ÖSV wird der ÖRV regelrecht vergessen, ist gewiss nicht die Nummer eins, nun aber hat ausgerechn­et ein Rodler für die erste österreich­ische Medaille dieser Win- terspiele gesorgt. Das wiederum könnte auf den weiteren Verlauf der Rodelbewer­be aus heimischer Sicht entscheide­nden positiven Einfluss nehmen.

Denn die Last, zumindest eine Medaille beizusteue­rn, sind Österreich­s Rodler schlagarti­g losgeworde­n. Die Doppelsitz­er Penz/Fischler werden hoch gehandelt, Steu/ Koller trauen Experten eine ähnliche Rolle zu wie Gleirscher. Bei den Damen benötigt es jedoch ein kleines Wunder für Edelmetall, im Teamsprint ist Österreich nur Außenseite­r. Doch das war auch Gleirscher, der sein Glück nicht fassen konnte. „Was da passiert ist, ist der Wahnsinn“, sagte der Jungvater des erst sieben Monate alten Leon, der nicht als Feierbiest bekannt ist. An diesem Abend aber machte er eine Ausnahme.

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Keine Kugelbahn sondern für Österreich­s Sport ein goldener Boden: David Gleirscher rast

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