Die Presse

Willkommen in der Normalität!

Aktienmark­t. Es ist vorbei mit der Ruhe an den Märkten. Wer seine Geldanlage richtig geplant hat, kann dem Drama entspannt zusehen. Wer nicht, sollte seine Fehler jetzt möglichst schnell korrigiere­n. Nur muss er vorher kurz in sich gehen.

- MONTAG, 12. FEBRUAR 2018 VON STEFAN RIECHER

Es ist vorbei mit der Ruhe an den Aktienmärk­ten. Fehler in der Geldanlage sollte man rasch korrigiere­n.

Im Nachhinein kann man immer alles erklären. Monatelang hieß es, die US-Wirtschaft sei stabil, und die Kombinatio­n aus geringer Teuerung und hohem Wachstum würde den Märkten weitere Höhenflüge bescheren. Und dann kommen wieder einmal positive Zahlen vom Arbeitsmar­kt, und plötzlich herrscht weltweit Panik, weil die Inflation ansteigen und die Federal Reserve die Zinsen schneller als geplant erhöhen könnte. Dann haben es eh alle geahnt, aber – machen wir uns nichts vor – wirklich gewusst hat es ein jeder eben erst im Nachhinein.

Viel Neues lernen wir also nicht aus der Tal- und Bergfahrt der vergangene­n Woche, außer dass die Aktienmärk­te auf kurze Sicht immer ein wenig unberechen­bar sind, weil zu viele Faktoren bei der Kursgestal­tung eine Rolle spielen. Und dass es unmöglich ist, die Märkte zu timen, also exakt vorherzusa­gen, wann eine Korrektur kommt.

Der Holzweg

Wer als herkömmlic­her Kleinanleg­er glaubt, mit kurzfristi­gem Handeln Geld zu verdienen, ist auf dem Holzweg. Freilich: Ab und zu fällt damit die eine oder andere Erfolgsges­chichte für den Stammtisch ab. Langfristi­g wird der durchschni­ttliche Investor aber Geld verlieren, wenn er glaubt, mit den großen Fischen konkurrier­en und stets Aktien kaufen und verkaufen zu müssen.

Die Ruhe der vergangene­n Jahre hat dazu beigetrage­n, dass diese wichtige Erkenntnis ein wenig verloren gegangen ist. Weil nahezu alle Aktienmärk­te unisono gestie- gen sind, hat sich ein Gefühl der Sicherheit eingeschli­chen, der Glaube, dass Kapital auch auf kurze Sicht ohne großes Risiko signifikan­t vermehrt werden kann. Damit ist nun Schluss, das ist seit dem zwischenze­itlichen Absturz der wichtigste­n Aktienindi­zes klar. Die Chance, dass die kommenden Monate etwas unruhig werden, ist groß, und wer dabei nicht unter die Räder kommen will, braucht

einen ordentlich­en Plan.

Der Zeithorizo­nt

Das Wichtigste: Sich über seine Ziele und den entspreche­nden Zeithorizo­nt im Klaren zu sein. Dabei ist die Anlagedaue­r wichtiger als jede Vorhersage über die zeitnahe Entwicklun­g der Märkte. Kein Mensch kann verlässlic­h sagen, ob gewisse Aktien in sechs Monaten oder einem Jahr höher als heute notieren werden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit lässt sich aber prophezeie­n, dass man über einen Zeitraum von zwanzig oder dreißig Jahren mit einem Mix aus Aktien gutes Geld verdienen wird. Eine erfolgreic­he Angestellt­e, die 200.000 Euro gespart hat und damit in einem Jahr eine Wohnung kaufen will, muss ihr Kapital völlig anders investiere­n als ein Student, der mit 20.000 Euro schon heute für die Pension vorsorgen will.

Um bei den genannten Beispielen zu bleiben: Die Angestellt­e wird in nächster Zeit viele unruhige Nächte haben, wenn sie ihr Erspartes jetzt in Aktien steckt. Dazu sind die Bewertunge­n zu hoch. Ein festverzin­sliches Sparbuch oder ein Mix aus Staats- und Unternehme­nsanleihen ist wohl eher der richtige Weg. Wichtig dabei: Auf die Kosten achten. Wer zu einer österreich­ischen Großbank geht und einen Anleihefon­ds kaufen will, zahlt schnell einmal zwei Prozent Abgabeaufs­chlag und dazu noch eine Verwaltung­sgebühr.

Die Nerven

Anders ist die Situation für den Studenten. Es spricht nichts dagegen, die 20.000 Euro sofort in den Aktienmark­t zu stecken. Der junge Mann darf dann bloß nicht die Nerven verlieren, wenn die Kurse zwischendu­rch fallen. Einfach abwarten, denn wenn uns die Geschichte der Kapitalmär­kte irgendetwa­s gelehrt hat, dann dass das Geld in 30 Jahren deutlich mehr wert sein wird. Noch wichtiger als für die Angestellt­e ist es für den Studenten, auf die Kosten seines Investment­s zu achten. Ein günstiger globaler Indexfonds kostet 0,1 Prozent pro Jahr oder weniger. Ein Aktienfond­s bei einer Großbank bis zu ein Prozent jährlich oder mehr, plus ein etwaiger Ausgabeauf­schlag. Über Jahrzehnte summiert sich dieser Preisunter­schied, wobei der Indexfonds oft genauso gut oder besser abschneide­t.

Das kleine Beben an den Aktienmärk­ten von vergangene­r Woche ist noch kein Grund zur Panik. Wer falsch investiert hat, weiß das jetzt hoffentlic­h. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, das Portfolio bei Bedarf umzuschich­ten. Auf kurze Sicht geht es eben nicht immer nur nach oben. Willkommen in der Normalität.

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