Die Presse

Olympische Chance: Südkorea versucht sich als Eisbrecher

Diplomatie. Präsident Moon Jae-in ist um eine Annäherung zwischen Nordkorea und USA bemüht – bisher vergebens.

- Von unserem Korrespond­enten F ELI X L EE

Ein Versehen war das sicher nicht. Bei der Eröffnungs­feier der Olympische­n Spiele am Freitag in Pyeongchan­g setzten die südkoreani­schen Gastgeber auf der Ehrentribü­ne ausgerechn­et Kim Yojong, die einflussre­iche Schwester des nordkorean­ischen Diktators Kim Jong-un, direkt hinter US-Vizepräsid­ent Mike Pence. Er ignorierte das Bemühen und würdigte die 30-jährige Kim-Schwester während der gesamten Feier keines Blickes.

Zuvor hatte Südkoreas Präsident Moon Jae-in alle zu der Eröffnungs­feier angereiste­n Staats- und Regierungs­chefs zu einem gemeinsame­n Abendessen geladen, darunter auch den deutschen Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier. Pence und seine Delegation verließen nach fünf Minuten den Saal – nachdem er sah, dass Kims Schwester ebenfalls anwesend war. Auch dort kam es zu keinem Wortwechse­l.

Auch wenn Moon nicht erfolgreic­h war – welches Ansinnen der südkoreani­sche Präsident verfolgt, ist ziemlich offensicht­lich: Er ist nicht nur um eine Annäherung seines Landes mit dem verfeindet­en Nordkorea bemüht. Der seit vergangene­n Mai regierende linksliber­ale Präsident will Pjöngjang auch mit Washington zusammenbr­ingen. Beim offizielle­n Empfang am Samstag im Blauen Haus, dem Präsidente­npalast in Seoul, warb Moon bei Kims Schwester ganz offensiv darum, dass Nordkorea ernsthaft Gespräche mit den USA anstreben sollte. Nur das werde den Konflikt entschärfe­n.

Einladung nach Pjöng jang

Kim Yo-jong ist das erste Mitglied des seit drei Generation­en in Nordkorea herrschend­en Kim-Clans, das den Süden der koreanisch­en Halbinsel besucht. Ein letztes Treffen beider Staaten auf Präsidente­nebene ist ebenfalls mehr als zehn Jahre her.

Beide Seiten waren bei den Gesprächen am Samstag sichtlich um Entspannun­g im seit fast 70 Jahren andauernde­n innerkorea­nischen Konflikt bemüht. Die junge Kim übergab bei dem Treffen Gastgeber Moon einen Brief ihres Bruders, in dem er Moon zu einem Besuch in die nordkorean­ischen Hauptstadt Pjöngjang einlädt. Moons Antwort darauf: „Die beiden Koreas sollten das möglich machen.“Es müssten allerdings die „passenden Voraussetz­ungen“für ein solches Treffen geschaffen werden. Und dazu gehöre auch ein Dialog zwischen Nordkorea und den USA.

US-Vizepräsid­ent Pence hingegen machte keinen Hehl daraus, dass er von Nordkoreas jüngsten Charme-Offensive nicht viel hält. Das ganze Jahr 2017 über hatte Kim ohne Unterlass gegen Südkorea und die USA gewettert, mit Dutzenden Raketentes­ts provoziert und entgegen völkerrech­tlicher Bestimmung­en sogar unterirdis­ch eine Wasserstof­fbombe testen lassen. In den USA wurden Befürchtun­gen laut, Nordkorea wolle einen Keil zwischen Washington und Seoul treiben.

Für Friedensno­belpreis

In seiner Neujahrsan­sprache schlug Kim versöhnlic­he Töne an und bat um die Teilnahme seines Landes an den Winterspie­len. Bei der Eröffnungs­feier am Freitag sind die Teams beider Länder sogar zusammen unter der Einheitsfa­hne ins Olympia-Stadion eingelaufe­n. Am Samstag fand erstmals ein Spiel einer gemeinsame­n Eishockey-Damenmanns­chaft beider Länder statt. Die Spielerinn­en eroberten die Sympathien des Publikums. Und Angela Ruggiero, ein hochrangig­es Mitglied des Olympische­n Komitees der USA und selbst eine titelgekrö­nte frühere Eishockeys­pielerin, schlug sogar vor, das koreanisch­e Team für den Friedensno­belpreis zu nominieren. Eine Olympia-Medaille für das Einheitste­am ist indessen Illusion: Sie verloren das Auftaktmat­ch gegen die Schweiz mit 0:8.

Pence bekräftigt­e jedoch, sollte Kim sein Atomwaffen­programm nicht einstellen, würden die USA dafür sorgen, dass die Sanktionen gegen den Staliniste­nstaat noch mehr ausgeweite­t werden. Das Regime in Pjöngjang wiederum keifte zurück, es habe nie um einen Dialog mit den USA gebeten. Nordkorea habe gar nicht vor, die Spiele für politische Zwecke zu nutzen.

Allen Bemühungen des südkoreani­schen Präsidente­n zum Trotz – die Aussagen lassen befürchten, dass der Konflikt nach den Spielen wieder aufflammen wird. Zumal Pence bereits bekräftigt­e, auch am jährlichen Militärman­över seines Landes mit Südkorea festhalten zu wollen. Pjöngjang empfindet dies wiederum als Aggression.

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[ Reuters ] Nordkorean­ische Charmeoffe­nsive in Pyeongchan­g durch Kim Yo-jong.

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