Wer bietet mehr? Buhlen um Italien
Analyse. Italien steht zwar besser da, als befürchtet. Doch die Parteien nutzen das Momentum, um den Wählern das Blaue vom Himmel zu versprechen. Leisten kann sich Italien das alles nicht.
Italiener müsste man sein. Traut man den Politikern, gibt es dort bald Gratisfernsehen, ein sattes Grundeinkommen für alle und maximal 25 Stunden Arbeit in der Woche. Moment, Italien? War das nicht eben noch der große Wackelkandidat der Eurozone?
Stimmt schon, aber der globale Aufschwung macht auch vor dem Mittelmeerland nicht halt und beschert der Volkswirtschaft erstmals seit Langem wieder aufmunternde Zahlen: Im Dezember stieg die Industrieproduktion so rasch wie zuletzt vor zwei Jahren. Investitionen und Konsum kehren zurück. Und auch die italienische Nationalbank korrigierte die Wachstumsprognose für heuer auf 1,5 Prozent. Damit bleibt Italien zwar Schlusslicht der Euromitglieder, aber immerhin: Endlich Land in Sicht für den von hoher Arbeitslosigkeit geplagten Staat. Gäbe es am 4. März nur keine Wahlen und keine Parteien, die so ziemlich alles versprechen würden, um sie zu gewinnen.
„Wir brauchen nicht so viel zu arbeiten“, ließ der Starkomiker Beppe Grillo am Sonntag wissen. 25 Stunden in der Woche seien genug. Den Rest sollen die Roboter übernehmen. Grillo ist Gründer der „Fünf-Sterne-Bewegung“, die sich beim Wahlgang beste Chancen ausrechnen darf. Ihr Spitzenkandidat Luigi Di Maio verspricht zudem ein Grundeinkommen für alle, 100 Milliarden Euro, um die Wirtschaft anzukurbeln und natürlich weniger Steuern. Finanzieren will er das per Vertragsbruch mit Ansage: Das staatliche Defizit soll über die Maastricht-Grenze von drei Prozent des BIP steigen.
Sein größter Gegenspieler im März, das rechte Bündnis rund um Silvio Berlusconi, steht Di Maio um nichts nach: Auch mit Berlusconi gibt es ein Grundeinkommen, mehr Geld für junge Mütter und Tierbesitzer und eine Flat Tax. Tatsächlich ist die Steuerlast in Italien für Private und Unternehmen sehr hoch. Doch selbst die Wirtschaft sieht keine reale Chance, die Abgaben zu senken. Immerhin ist Italien mit einer Schuldenlast von 132 Prozent des BIP hinter Griechenland immer noch der zweitgrößte Schuldner der Eurozone.
Auch darum hält sich die bisherige Regierungspartei unter Mario Renzi mit teuren Wahlversprechen zurück: Immerhin, die Abschaffung der Rundfunkgebühren stellten die Linksdemokraten jüngst in Aussicht. Ansonsten gebe es nur das Versprechen, keine Versprechen zu geben.
Damit gewinnt Renzi vielleicht die Herzen der Ökonomen, die seine Regierung preisen. Bei den vielen Krisenverlierern und Arbeitslosen im Land kommt er mit Durchhal- teparolen aber kaum noch durch. Leisten könne sich das Land die auf 200 Milliarden Euro geschätzten Wahlversprechen nicht, warnen Analysten. Noch ist Italien weit vom Niveau vor der Krise entfernt. Die strukturellen Probleme seien bestenfalls im Ansatz bereinigt. Notenbank und EU fordern vehement weitere Reformen ein. Die Populisten rechts und links versprechen hingegen das genaue Gegenteil – und dazu auch noch einen magischen Geldregen.
Die Italiener selbst scheinen abgebrühter zu sein. Einer aktuellen Ipsos-Umfrage zufolge, glauben sieben von zehn Befragten nicht, dass auch nur ein Wahlversprechen eingehalten wird.