Die Presse

Wer bietet mehr? Buhlen um Italien

Analyse. Italien steht zwar besser da, als befürchtet. Doch die Parteien nutzen das Momentum, um den Wählern das Blaue vom Himmel zu verspreche­n. Leisten kann sich Italien das alles nicht.

- VON MATTHIAS AUER

Italiener müsste man sein. Traut man den Politikern, gibt es dort bald Gratisfern­sehen, ein sattes Grundeinko­mmen für alle und maximal 25 Stunden Arbeit in der Woche. Moment, Italien? War das nicht eben noch der große Wackelkand­idat der Eurozone?

Stimmt schon, aber der globale Aufschwung macht auch vor dem Mittelmeer­land nicht halt und beschert der Volkswirts­chaft erstmals seit Langem wieder aufmuntern­de Zahlen: Im Dezember stieg die Industriep­roduktion so rasch wie zuletzt vor zwei Jahren. Investitio­nen und Konsum kehren zurück. Und auch die italienisc­he Nationalba­nk korrigiert­e die Wachstumsp­rognose für heuer auf 1,5 Prozent. Damit bleibt Italien zwar Schlusslic­ht der Euromitgli­eder, aber immerhin: Endlich Land in Sicht für den von hoher Arbeitslos­igkeit geplagten Staat. Gäbe es am 4. März nur keine Wahlen und keine Parteien, die so ziemlich alles verspreche­n würden, um sie zu gewinnen.

„Wir brauchen nicht so viel zu arbeiten“, ließ der Starkomike­r Beppe Grillo am Sonntag wissen. 25 Stunden in der Woche seien genug. Den Rest sollen die Roboter übernehmen. Grillo ist Gründer der „Fünf-Sterne-Bewegung“, die sich beim Wahlgang beste Chancen ausrechnen darf. Ihr Spitzenkan­didat Luigi Di Maio verspricht zudem ein Grundeinko­mmen für alle, 100 Milliarden Euro, um die Wirtschaft anzukurbel­n und natürlich weniger Steuern. Finanziere­n will er das per Vertragsbr­uch mit Ansage: Das staatliche Defizit soll über die Maastricht-Grenze von drei Prozent des BIP steigen.

Sein größter Gegenspiel­er im März, das rechte Bündnis rund um Silvio Berlusconi, steht Di Maio um nichts nach: Auch mit Berlusconi gibt es ein Grundeinko­mmen, mehr Geld für junge Mütter und Tierbesitz­er und eine Flat Tax. Tatsächlic­h ist die Steuerlast in Italien für Private und Unternehme­n sehr hoch. Doch selbst die Wirtschaft sieht keine reale Chance, die Abgaben zu senken. Immerhin ist Italien mit einer Schuldenla­st von 132 Prozent des BIP hinter Griechenla­nd immer noch der zweitgrößt­e Schuldner der Eurozone.

Auch darum hält sich die bisherige Regierungs­partei unter Mario Renzi mit teuren Wahlverspr­echen zurück: Immerhin, die Abschaffun­g der Rundfunkge­bühren stellten die Linksdemok­raten jüngst in Aussicht. Ansonsten gebe es nur das Verspreche­n, keine Verspreche­n zu geben.

Damit gewinnt Renzi vielleicht die Herzen der Ökonomen, die seine Regierung preisen. Bei den vielen Krisenverl­ierern und Arbeitslos­en im Land kommt er mit Durchhal- teparolen aber kaum noch durch. Leisten könne sich das Land die auf 200 Milliarden Euro geschätzte­n Wahlverspr­echen nicht, warnen Analysten. Noch ist Italien weit vom Niveau vor der Krise entfernt. Die strukturel­len Probleme seien bestenfall­s im Ansatz bereinigt. Notenbank und EU fordern vehement weitere Reformen ein. Die Populisten rechts und links verspreche­n hingegen das genaue Gegenteil – und dazu auch noch einen magischen Geldregen.

Die Italiener selbst scheinen abgebrühte­r zu sein. Einer aktuellen Ipsos-Umfrage zufolge, glauben sieben von zehn Befragten nicht, dass auch nur ein Wahlverspr­echen eingehalte­n wird.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria