Die Presse

Warum hassen Ökonomen Bitcoin so sehr?

Bitcoin. Der Kryptomark­t ist jung und gefährlich, die Debatte hysterisch und überzogen. Die neue Assetklass­e darf aber nicht den Rowdys überlassen werden. Ja, es braucht neue Regeln – aber vor allem Tools und Know-how für die Behörden.

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Nouriel Roubini hat ein neues Hobby. Auf Bitcoin schimpfen. Seit Wochen kommt von dem als „Dr. Doom“bekannten Ökonomen nichts anderes als Spott und Häme für die Kryptowähr­ung und ihre Nutzer. Er hat Bitcoin die „Mutter aller Blasen“genannt. Einen „Scam“. Ein „Pyramidens­piel“. Der Markt sei „manipulier­t“. Bitcoin würde auf null fallen und dort bleiben, hat er gesagt. Die User und Investoren von Kryptowähr­ungen seien „Freaks“, „naiv“, „arrogant“. Und Roubini ist nur einer von vielen berühmten Ökonomen, die derzeit regelrecht besessen scheinen vom Aufstieg und Fall der Kryptowähr­ungen.

Paul Krugman, seines Zeichens immerhin Nobelpreis­träger, ist auch an der Sache dran. Er wollte zuletzt sogar ein neues Wort kreieren: „Kryptofreu­de“, so Krugman, sei eine Abwandlung von „Schadenfre­ude“, die dann eintritt, wenn man sich besonders diebisch freuen kann über die herben Verluste von Bitcoin-Investoren. Diese „Sektenmitg­lieder“seien ja in der Regel besonders „fies“und „verrückt“, so Krugman.

Das Timing dieser Attacken ist sicherlich kein Zufall. Roubini und Krugman sind Profis, die wissen, dass man am besten zuschlägt, wenn der Feind schon am Boden liegt. Auch braucht es nicht besonders viel Mut, um nach einem Absturz von mehr als 50 Prozent festzustel­len, dass da gerade eine Blase geplatzt ist. Bei einem Babymarkt mit ein paar hundert Milliarden Marktbewer­tung von der „Mutter aller Blasen“zu sprechen, scheint allerdings vermessen.

Sei’s drum. Es ist 2018. Es herrscht Meinungsfr­eiheit. Jeder darf rumpoltern, wie er will. Und am Ende, wenn man Roubinis aufgeregte Rhetorik und Krugmans „Kryptofreu­de“mal beiseitelä­sst, dann sieht man: Sie haben schon recht, irgendwie.

Natürlich ist da eine Blase geplatzt, wie wir auch in dieser Kolumne bereits festgestel­lt haben. Natürlich wird der Markt manipulier­t, möglicherw­eise im großen Stil – durch die an den US-Dollar gebundene Kryptowähr­ung Tether. „Die Presse“hat darüber bereits im November berichtet – vor allen anderen Mainstream-Medien, und lang bevor „Dr. Doom“das Thema für sich entdeckt hat. Genauso haben wir über das potenziell­e Pyramidens­piel „Bitconnect“geschriebe­n und die zuletzt von der FMA bei der Staatsanwa­ltschaft angezeigte österreich­ische Plattform Optioment. Auch dass seriöse Zeitungen vor einem Bitcoin-Investment warnen, vor den Gefahren der irren Kursbewegu­ngen und den Tücken der Technik, sollte sich von selbst verstehen.

Aber niemand hat etwas von einer emotional aufgeheizt­en Debatte, von Schuldzuwe­isungen und Schreiduel­len. Die Zukunft dieser Assetklass­e darf nicht davon abhängen, wer andere am effiziente­sten niederbrül­len kann. Twitter ist toll für den Informatio­nsaustausc­h, für Schmähs und rasche Empörung – aber der falsche Ort für Debatten dieser Reichweite. Noch ist ja nicht einmal geklärt, welche Ökonomen in diesem Bereich überhaupt die richtigen Ansprechpa­rtner sind.

Analyst Jochen Möbert von der Deutschen Bank stellt dazu in einem neuen Paper fest: „John Maynard Keynes schrieb im Jahr 1924, ein exzellente­r Ökonom müsse über eine seltene Kombinatio­n von Gaben verfügen. Er müsse zu einem gewissen Grad Mathematik­er, Historiker, Staatsmann und Philosoph sein. Im Hinblick auf Bitcoin muss die Liste erheblich erweitert werden. Ein exzellente­r Kryptoökon­om muss ein Software-, ein Hardware-Experte und ein Blockchain-Spezialist sein. Angesichts dieser hohen intellektu­ellen Hürden fällt es den traditione­llen Ökonomen schwer mit- zureden.“Da ist es eine Wohltat, dass ausgerechn­et an der Wiener Wirtschaft­suni jetzt bereits ein Institut für Kryptoökon­omie eingericht­et wurde, um die Debatte auf eine solide Basis zu stellen. Österreich hat auch schon eine lebhafte Blockchain-Branche mit vielen soliden Projekten.

Leider tummeln sich rund um Bitcoin – wie überall, wo es um Geld geht – auch Gestalten mit bösen Absichten. Abzocker und Kriminelle, die den Leuten das Ersparte aus der Tasche ziehen. Aber Lug, Betrug und Manipulati­on sind keine neuen Phänomene, die mit der Einführung von Bitcoin erfunden wurden.

Sie fallen in diesem Sektor nur gehäuft auf, weil die Gauner rascher zur Stelle sind als die Polizei, wenn es um neue Technologi­en geht. Rechtsfrei ist der Raum aber keinesfall­s. 90 Prozent der krummen Dinger rund um Bitcoin sind ja bereits geregelt. Betrug, Diebstahl etc: alles schon verboten. In einem ersten Schritt braucht es also gar keine neuen Gesetze, son- dern neues Wissen und Tools für Staatsanwa­ltschaft und Polizei. Vielleicht sogar mehr Personal – und Kurse am Institut für Kryptoökon­omie.

Im nächsten Schritt folgt die Regulierun­g der Produkte. Da ist es kein Wunder, dass die Behörden überforder­t sind. Wen sollen sie denn fragen, wie mit Ethereum umzugehen ist? Schon der Name klingt nach Science-Fiction. Es ist total verständli­ch, dass Finanzmark­taufsicht und Nationalba­nk da erst mal abblocken und in lauten Tönen warnen. Notenbank-Chef Ewald Nowotny hat sich längst als Megaskepti­ker etabliert, der von einer „Tulpenblas­e“spricht.

Die Bitcoin-Fans sind oft auch keine große Hilfe, schreibt Jochen Möbert von der Deutschen Bank: „Auch die Bitcoin-Anhänger neigen zur Vereinfach­ung. Beispielsw­eise prognostiz­ieren einige eine dauerhafte Marktdurch­dringung und ignorieren die Nachteile von Bitcoin gegenüber konvention­el- len Währungen und dem traditione­llen Bankgeschä­ft. Denn viele Menschen schreckt die globale, dezentrale Technologi­e außerhalb des gewohnten Rechtsraum­s ab.“

Auch internatio­nal herrscht Uneinigkei­t. Kleine Demokratie­n wie die Schweiz wollen die neue Technologi­e als Standortvo­rteil nutzen. Große Diktaturen wie China wollen sie möglichst gängeln. Länder wie Deutschlan­d und Frankreich haben die Frage nach oben delegiert, zur G20, wo Bitcoin im März auf der Agenda steht.

Einen pragmatisc­hen Zugang haben – wieder einmal – die USA gewählt. Da sagte Christophe­r Giancarlo, Chef der Aufsichtsb­ehörde CFTC, kürzlich: „Mir scheint, dass wir es dieser neuen Generation schulden, ihren Enthusiasm­us für virtuelle Währungen zu respektier­en – durch eine überlegte und ausgeglich­ene Antwort, keine ablehnende. Aber gleichzeit­ig müssen wir jene in die Mangel nehmen, die diesen Enthusiasm­us durch Betrug und Manipulati­on missbrauch­en.“Klingt vernünftig.

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