Die Presse

Der Index, der die Nervosität der Anleger misst

Volatilitä­tsindizes. Einer der wichtigste­n Kursschwan­kungsindiz­es ist der US-amerikanis­che VIX. Wenn er steigt, bedeutet das meist fallende Aktienkurs­e. Im Vorjahr war die Nervosität an den Börsen so gering, dass viele gegen den VIX spekuliert haben. Das

- VON BEATE LAMMER

Der VIX gilt als Fieberther­mometer für die Nervosität der Anleger an der US-Börse. Aktieninde­x ist er zwar keiner, Schlagzeil­en hat er zu Beginn der Vorwoche, als die Börsen abstürzten, dennoch gemacht. Er hat nämlich an nur einem Tag den prozentuel­l steilsten Anstieg seiner Geschichte erlebt, und das hat viele Investoren, die ihn „geshortet“haben, also auf einen fallenden VIX-Index gewettet haben, kalt erwischt.

Doch der Reihe nach: Der CBOE Volatility Index (VIX) wird seit 1993 von der Terminbörs­e „Chicago Board Options Exchange“berechnet und spiegelt die erwartete Schwankung­sbreite des US-Aktieninde­x S&P 500 (an- hand von Optionspre­isen) wider. Dabei geht es nur um die Intensität der Schwankung­en, die theoretisc­h nach oben oder unten erfolgen können. In der Praxis gibt es aber eine negative Korrelatio­n zwischen dem VIX und dem S&P 500: Rechnet der Markt mit steigenden Schwankung­en, fällt meistens der S&P 500 – und umgekehrt. Der VIX wird daher häufig als „Angstbarom­eter“bezeichnet.

Umstritten ist die Aussagekra­ft des VIX, was die zukünftige Entwicklun­g der Börsen betrifft. Als Vorlaufind­ikator ist er nicht wirklich geeignet, da er meist steigt, wenn die Börsen schon zu fallen begonnen haben. Das erhöht wiederum die Nervosität der Anleger.

Dass der VIX zu Beginn der Vorwoche hochgeschn­ellt ist, bedeute lediglich, dass die Nervosität an der Börse hoch sei, meint Peter Szopo, Aktienstra­tege bei der Erste Asset Management. Daraus lasse sich nicht zwingend ableiten, dass die Kurse weiter fallen werden.

Im Vorjahr grundelte der VIX meist bei zehn Punkten herum. Zum Vergleich: Während der Finanzkris­e war er zeitweise auf bis zu 90 Punkte hochgeschn­ellt. (Im hier abgebildet­en Chart ist das nicht ersichtlic­h, da dieser nur die vierteljäh­rlichen Veränderun­gen enthält.)

Werte jenseits der 40 Punkte gab es auch 2010 und 2011. Auch als im Sommer 2015 Ängste vor einer harten Landung der chinesisch­en Wirtschaft hochkochte­n, sprang der VIX über 50 Punkte.

Im Vorjahr gab es jedoch keinen solchen Ausreißer nach oben: Der Index kletterte niemals auch nur auf 20 Zähler. Im September fiel der VIX auf 9,40 Punkte und war damit so niedrig wie zuletzt 2007 – ein Jahr, bevor die Finanz- krise ausbrach. Doch Anfang der Vorwoche kam die Nervosität zurück, und der VIX schnellte im Tagesverla­uf auf bis zu 50 Punkte hoch. Mit einer Fastverdre­ifachung innerhalb von 24 Stunden erlebte er von Montag auf Dienstag den steilsten Anstieg innerhalb eines Tages in seiner Geschichte.

Das war unangenehm für Anleger, die auf einen fallenden VIX spekuliert hatten. Short-Vola-Strategien, mit denen man gegen Turbulenze­n am US-Aktienmark­t – also gegen den VIX – wettet, hatten sich in den vergangene­n Monaten wachsender Beliebthei­t erfreut. Vielfach handelt es sich um Hedgefonds, wie Bloomberg berichtet: Zu Wochenbegi­nn erlebten diese ein böses Erwachen. So verlor der VelocitySh­ares Daily Inverse VIX ShortTerm ETN 84 Prozent gegenüber dem Schlusskur­s des Vortags, der ProShares Short VIX Short Term Futures ETF sank um 79 Prozent. Bei beiden wurde am Dienstag der Handel ausgesetzt.

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