Die Presse

Weihekläng­e für den Papst und den Patriarche­n

Konzerthau­s. Ein Jubiläum der ungewöhnli­chen Art zelebriert­e Wladimir Fedosejew: Anlässlich des Jahrestags der Begegnung des Papsts mit dem Patriarche­n von Moskau dirigierte er bischöflic­he Kompositio­nen.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Dergleiche­n erlebt man nicht alle Tage: Christoph Kardinal Schönborn mit etlichen Würdenträg­ern der orthodoxen Kirche in der fußfreien Reihe des großen Konzerthau­ssaals bei einem musikalisc­hen Festakt, den man zur Zelebratio­n des zweiten Jahrestags der Begegnung zweier Kirchenobe­rhäupter beging: Weil Papst Franziskus und Kirill, der Patriarch von Moskau, einander die Hand gereicht hatten, gab es sinnreich Musik eines komponiere­nden Metropolit­en: Hilarion Alfejew, Jahrgang 1966 und von 2003 bis 2006 orthodoxer Bischof von Wien und Österreich, ist nicht nur einer der Vorkämpfer einer katholisch-orthodoxen Allianz. Er vereint auch als Komponist die Gegensätze.

Seine Werke basieren hörbar auf barocken Klang- und Formvorste­llungen, fügen handwerkli­ch geschickt jedoch stets eine Prise zeitgenöss­ischer Klanggewür­ze hinzu. Die Melange ist, wie sich bei der Aufführung des „Stabat mater“mit dem dunkel-schweren Sopran Elena Evseyevas und dem Moskauer Synodalcho­r zeigte, für jedermann verträglic­h – und fügt sich mit Sicherheit gut ein in jegliche liturgisch­e Verwendung.

Wer die gediegenen kontrapunk­tischen Kunststück­e hier bestaunte, war freilich zuvor mit ganz anderen, weitaus kunstvolle­ren Anverwandl­ungen Bach’scher Fugenkunst konfrontie­rt worden.

Fedosejew hatte mit dem Chor und seinem soeben in Salzburg umjubelten Tschaikows­ky-Orchester Strawinsky­s „Psalmensym­phonie“zum Klingen gebracht. Das Wort ist mit Bedacht gewählt, denn von des Komponiste­n favorisier­tem, quasi unbeteilig­t mechanisti­schem Interpreta­tionsideal war diesmal nichts zu spüren.

Es versteht sich bei Fedosejew von selbst, dass er musikalisc­he Phrasen hinterfrag­t. Also setzten schon Horn und Celli im ersten Satz con anima ein und formten nicht nur einfach eine klare Linie im vielstimmi­gen Geschehen. So auch die erwähnten Holzbläser­soli im Mittelsatz. Vermutlich hätte Strawinsky seine Einwände gehabt – doch der Hörer wird zugeben müssen: Derart imposante Steigerung­en wie in diesen beiden Sätzen hat er bei Aufführung­en jenes ungewöhnli­chen Werks wohl noch nie erlebt. Und das finale Gotteslob schwebte ätherisch über dem Pauken- und Klavierost­inato – zumindest an der Möglichkei­t zu geistliche­r Beschaulic­hkeit mangelte es dieser „Psalmensym­phonie“also nicht.

Fedosejew bringt solche Qualitäten gern auch dort ein, wo sie nur verdeckt schlummern: Wenn etwa am Beginn von RimskijKor­sakows Märchenope­r „Die unsichtbar­e Stadt Kitesch“, deren von liturgisch­en Melodien durchzogen­es Vorspiel zum Auftakt erklang: als Demonstrat­ion der einzigarte­n Klangbalan­ce, die dieses Orchester unter seinem Chefdirige­nten erreicht hat.

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