Die Presse

Schutzsuch­ende: Das Dilemma von Rassismus und Mitgefühl

Viele Bürger fühlen sich im Zwiespalt: Sie schwanken bei Neuankömml­ingen zwischen Mitgefühl und Unbehagen. Politik und Medien brauchen klare Sprache.

- Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“.

Die kürzlich verstorben­e Ute Bock war eine einfache Frau, die schlicht ihren Mitmensche­n helfen wollte. Doch sie war auch ein Symbol und rief zwiespälti­ge Reaktionen hervor, die von Verehrung bis zu Hass reichten. In den vergangene­n Jahrzehnte­n erlebte Österreich immer wieder Flüchtling­swellen, die stets eine große Welle der Hilfsberei­tschaft auslösten: Man denke an den Ungarnaufs­tand 1956, die „Boat People“, die Polenkrise 1981 oder die Balkankrie­ge in den 1990er-Jahren. Die Aktion „Nachbar in Not“war ein Symbol dafür.

Für die Politik darf Mitleid allein jedoch kein Maßstab sein. Das zeigte etwa das Jahr 2015. Die offenen Grenzen, das Ausklinken des Rechtsstaa­tes, überforder­te staatliche Institutio­nen und eine ratlose Ordnungsma­cht ließen zwar die sogenannte Zivilgesel­lschaft eine Hochblüte erleben, das Gros der Bürger aber blieb verunsiche­rt zurück.

Die Geschehnis­se waren undurchsic­htiger als zuvor. Es war eine echte Fluchtbewe­gung, Menschen, die vor einem Krieg in ihrer Heimat Sicherheit suchten. In deren Windschatt­en kamen aber auch viele illegale Migranten, die das Chaos ausnützten, um ihre wirtschaft­liche Situation zu verbessern. Dazu hatten sich auch noch Terroriste­n in die Flüchtling­sströme eingereiht, die in Europa Angst und Schrecken verbreiten wollten.

Dieses Durcheinan­der macht uns noch heute zu schaffen – nicht nur den Behörden, die die Asylverfah­ren durchführe­n müssen. Wer ist da in den letzten Jahren tatsächlic­h gekommen? Aus welchen Motiven? Mit welcher Absicht? Wollen und dürfen sie bei uns bleiben? Für wie lange? Wollen sie Teil unserer Gesellscha­ft werden oder lehnen sie unsere Werte ab?

Auch in der EU dürfte, was die Begrifflic­hkeit und die Strategie betrifft, Verwirrung herrschen. Im Jahr 2016 schlug die Kommission einen sogenannte­n „EUNeuansie­dlungsrahm­en“vor. Personen, hieß es da, die internatio­nalen Schutz benötigten, also Flüchtling­en, sollte ein si- cherer Weg nach Europa gewährleis­tet werden. Der Text verweist auf eine Reform der gemeinsame­n Asylagenda und der Migrations­agenda. Was also nun? Migration oder Asyl?

In den Medien herrscht die gleiche Begriffsve­rwirrung. Wenn es etwa um Facharbeit­ermangel geht, werden die Flüchtling­e ins Spiel gebracht. Dies ist allerdings falsch gedacht, denn Asyl erhält man nicht, weil man als Arbeitskra­ft gebraucht wird, sondern weil das Leben bedroht ist oder man verfolgt wird.

Es braucht hier dringend eine Klarstellu­ng der Dinge. Für Asylwerber gilt die Flüchtling­skonventio­n. Davon unberührt hat jeder Staat das Recht, ja die Pflicht, die Zuwanderun­g zu steuern und zu begrenzen. Er darf und soll Bedingunge­n und Anforderun­gen stellen, und er darf abweisen und abschieben.

Derzeit werden jede sachliche Debatte, jeder realpoliti­sche Ansatz und die entspreche­nden Maßnahmen von manchen postwenden­d zum „Rassismus“erklärt und damit abgewehrt und abgewertet. Damit aber tut man weder dem Land und seinen Bürgern noch den Neuankömml­ingen etwas Gutes.

Es braucht hier eine Klärung in der Wortwahl und in der Strategie. Vermeidet man den ehrlichen Diskurs weiterhin oder wehrt ihn unter dem Schlagwort „Rassismus“ab, werden uns die Probleme bald noch mehr über den Kopf wachsen. So wie das Unbehagen zunehmen wird, das sukzessive in Ablehnung umschlagen könnte.

Eine verantwort­ungsvolle Politik stellt sich den Problemen und setzt angemessen­e und wohlüberle­gte Maßnahmen. Grenzenlos­es Mitleid kann keine Kategorie der Politik und der Behörden sein. Sie haben das Wohl aller und das Recht im Auge zu behalten. Einzelpers­onen und private Institutio­nen sollten hingegen weiterhin Mitgefühl und Mitmenschl­ichkeit bewahren – und diese grenzenlos.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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