Düstere Aussichten am Bosporus
Der deutsche „Spiegel“-Journalist Hasnain Kazim über seine Zeit in der Türkei.
Mit Beginn der Ära Recep Tayyip Erdogan˘ ist das Interesse an der Türkei gestiegen, das merken Beobachter an der Bücherflut im deutschsprachigen Raum – insbesondere seit den Demonstrationen rund um den Istanbuler Gezi-Park im Jahr 2013. Auch der in Wien lebende „Spiegel“-Korrespondent Hasnain Kazim hat nun ein Buch über jenes Land verfasst, wo er drei Jahre lang als Journalist wirkte: „Krisenstaat Türkei“unterscheidet sich insofern von anderen Publikationen, weil es Kazim mit persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen angereichert hat.
Kazim zeichnet unter anderem den Werdegang Erdogans˘ nach, den langwährenden Konflikt mit den Kurden, befasst sich mit der Stellung der Frau und den bilateralen Beziehungen zwischen Ankara und Berlin. Sein Fazit für die nahe Zukunft fällt düster aus, aber sein Buch ist nicht als Anklage verfasst, zumal Kazim die Türkei nach drei Jahren ruhmlos und in Begleitung eines deutschen Diplomaten verlassen musste, da seine Presse-Akkreditierung nicht verlängert wurde. Einen Grund für die Absage erhielt er nicht, aber er schildert in seinem Buch, wie seine kritische Berichterstattung die Anhänger der Regierungspartei zur Weißglut trieb. Seine Kritik an der regierenden AKP wiederholt Kazim auch im Buch.
In „Krisenstaat Türkei“geht es ihm darum, nachzuvollziehen, wie radikal sich die Türkei unter Erdogan˘ verändern konnte – sowohl negativ, als auch positiv. „Bemerkenswert ist: Vor eineinhalb Jahrzehnten, als die Türkei sich um Reformen bemühte, konnte die Kritik aus Berlin an der Türkei nicht laut genug sein“, schreibt er, „jetzt, da Kritik unbedingt geboten wäre, ist die Bundesregierung leise.“
Seine persönliche Geschichte bettet er in die aktuelle Gegenwart dieses Landes ein, dafür greift er auch auf Reportagen zurück, die er für den „Spiegel“verfasst hatte. Kazims Buch ermöglicht interessante Einblicke in ein „Land im Umbruch“von einem Autor, der bedauert, die Türkei verlassen haben zu müssen. (duö)