Trump lässt Wirtschaft heiß laufen
Steuersenkungen, Schuldenfreibrief im Kongress und Hunderte Milliarden für marode Infrastruktur: Das explodierende Defizit ist eine riskante Wette.
Da war doch was, vor einem Jahr: Der frisch gekürte Präsident, Donald Trump, warf rhetorisch die Mischmaschine an und verkündete sein Ein-Billionen-Dollar-Programm zur Modernisierung der teilweise recht maroden US-Infrastruktur. Zudem entwarf das Weiße Haus einen Budgetplan mit Kürzungen in allen Bereichen außer fürs Militär. Aus beidem ist 2017 nichts geworden. Muss man also den am Montag präsentierten zweiten Budgetplan Trumps (für das Fiskaljahr ab Oktober) gar nicht so ernst nehmen, weil am Ende doch der Kongress über den Haushalt der weltgrößten Volkswirtschaft entscheidet? Das wäre falsch.
Denn Trump kommt nun auf sein Infrastrukturprogramm zurück. Das muss er auch, um seine Wähler zufriedenzustellen, denen er neue Jobs auf dem Bau und eine Mauer zu Mexiko versprochen hat. Zwar fällt das nun geforderte Programm mit rund 200 Mrd. Dollar vergleichsweise bescheiden aus. Aber statt alles aus dem Bundesbudget zu finanzieren, sollen es nun Gliedstaaten und Kommunen, die traditionell das Gros der Infrastruktur finanzieren, auf Billionenhöhe hebeln. Vor allem aber käme das Programm zu den gewaltigen Haushaltsbelastungen hinzu, die jüngst unter republikanischer Ägide beschlossen wurden.
Mit Jahreswechsel trat die Steuerreform in Kraft. Auch wenn man realistisch erwartbare Wachstumseffekte einrechnet, wie sie der Steuerausschuss im Kongress prognostiziert, reißen die Einnahmenausfälle über zehn Jahre ein Loch von einer Billion Dollar in den Haushalt. Und am Freitag setzte Trump seine Unterschrift unter den immens teuren Ausgaben-Deal im Kongress.
Das Kongressmotto: Alle kriegen alles
Die beiden politischen Lager entsorgten damit die seit 2011 geltenden Obergrenzen nach dem „Alle kriegen alles“-Prinzip. Die Republikaner sichern sich für die kommenden 18 Monate mehr Geld für das Militär, die Demokraten freuen sich über zusätzliche Mittel für Kinderbetreuung und viele Sozialprogramme. Kostensenkungen als Gegenfinanzierung? Keine. Der nun vorliegende Generalplan des Weißen Hauses empfiehlt zwar vage Einsparungen auf lange Frist. Aber das ist wohl jener Teil, den man tatsächlich nicht ernst nehmen muss. Denn die Erfahrung von 2017 zeigt: Die von Trump ange- regten Mehrausgaben kommen, die geforderten Kürzungen in den Etats der Ministerien nicht. Von ihnen distanzierten sich im Vorjahr bald auch seine Republikaner.
Unterm Strich erhöht sich das jährliche US-Defizit damit auf über eine Billion Dollar oder fünf Prozent der Wirtschaftsleistung. Auf diesem Niveau dürfte es für absehbare Zeit bleiben. So verschwenderisch war die öffentliche Hand seit dem Zweiten Weltkrieg erst zweimal. Der Grund waren schwere Rezessionen, Anfang der Achtzigerjahre und als Folge der Finanzkrise. Nach 2008 schossen die Fehlbeträge sogar auf zehn Prozent hinauf, was die Staatsschulden in die Höhe trieb (siehe Grafik). Aber ab 2010 zwangen die Republikaner mit ihrem erbitterten AntiSchulden-Feldzug den demokratischen Präsidenten Obama dazu, die Fehlbeträge auf drei Prozent zu drosseln. Eine Ironie der Geschichte: Ausgerechnet jetzt, da die Grand Old Party die ganze Macht innehat, brechen beim Schuldenmachen alle Dämme. Freilich: In der jüngeren Geschichte seit Reagan ist es sogar eher die Regel als die Ausnahme, dass die Schulden mit Republikanern am Ruder stärker steigen.
Inflation oder wachsendes Potenzial?
Aber die aktuelle Situation ist einzigartig: Der starke Stimulus trifft auf eine Wirtschaft, die bereits auf vollen Touren läuft. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 4,2 Prozent, das ist fast Vollbeschäftigung. Stößt man an Kapazitätsgrenzen, droht Überhitzung. Die Republikaner hoffen, dass sich das Potenzial erhöht – auf dem Arbeitsmarkt, weil lang Abwesende wieder zurückkommen, und bei der Produktivität, weil Unternehmen die Steuergeschenke für Investitionen nutzen. Der typische Effekt laut Lehrbuch ist aber ein anderer: Erst steigen die Löhne, dann die Preise. Die Notenbank muss die Teuerung eindämmen, indem sie die Zinsen kräftig erhöht. So verteuern sich Kredite – und das bremst schließlich die Wirtschaft. Der Schuss könnte also auch nach hinten losgehen, erst recht auf lange Sicht. Schon jetzt erwarten die Finanzmärkte mehr Inflation und schneller steigende Zinsen, was zu den Börsenturbulenzen der Vorwoche führte. Die USA wagen also eine riskante Wette – mit dem Wohl der Weltwirtschaft als Einsatz.