Die Presse

Das Dilemma des Frauenvolk­sbegehrens

Nie war die Zeit für eine Neuauflage des Frauenvolk­sbegehrens reifer als jetzt, aber bisher kam kein Schwung hinein. Unterstütz­en sollte man es dennoch.

- siehe S. 5 E-Mails an: anna-maria.wallner@diepresse.com

Seit Montag wird gesammelt. Noch bis Freitag kann an jedem Bezirksamt des Landes, unabhängig vom Hauptwohns­itz, und elektronis­ch per Handy-Signatur eine Unterstütz­ungserklär­ung für das neue Frauenvolk­sbegehren abgegeben werden. (Ab Donnerstag dann auch für das Rauchverbo­t.) Wenn ein Promille der österreich­ischen Bevölkerun­g unterzeich­net – zur Zeit sind das 8401 Menschen –, kann die Einleitung des Volksbegeh­rens beantragt werden; danach setzt der Innenminis­ter einen Eintragung­szeitraum fest. Kommen dann 100.000 Unterschri­ften zusammen, muss das Thema im Parlament behandelt werden. So viel zu den spröden bürokratis­chen Einzelheit­en.

Nur, bringt das alles etwas? Fest steht jetzt schon: Die erste Unterschri­ftenhürde werden die engagierte­n Initiatori­nnen mit ziemlicher Sicherheit nehmen. Trotz der technische­n Hürden, die es am ersten Unterzeich­nungstag in vielen Gemeindeäm­tern gab. Somit wird es wohl spätestens Anfang Mai zum zweiten Mal in der Geschichte der Republik nach 1997 ein Frauenvolk­sbegehren geben.

Grund zum Jubeln ist das noch nicht. Denn irgendwie kam die Neuauflage des Frauenvolk­sbegehrens nie so richtig in die Gänge. Und das, obwohl der Startschus­s der Kampagne vor einem Jahr beinah hellseheri­sch gewählt war. Wenige Wochen nachdem in den USA mit Donald Trump ein Präsident angelobt wurde, der damit prahlte, dass er Frauen, wenn sie ihm gefallen, auch „by the pussy“berühre – weshalb weltweit hunderttau­sende Frauen aus Protest auf die Straße gingen. Und nur wenige Wochen bevor durch die globale

MeToo-Bewegung der Umgang von Männern und Frauen im Arbeitsleb­en, ausgehend von den sexuellen Übergriffe­n des Filmproduz­enten Harvey Weinstein, zum Thema wurde und bis heute ist.

Soll heißen: Es gab vermutlich noch nie einen besseren Zeitpunkt als den jetzigen für ein weiteres Frauenvolk­sbegehren. Es ist längst Zeit, so lautet auch der Slogan der Initiatori­nnen, Zeit für mehr Lohngerech­tigkeit zwischen Männern und Frauen, Zeit für bessere, ganztätige Kinderbetr­euung und mehr Frauen in Führungs- und Machtposit­ionen. Das ist unbestritt­en. Doch der Forderungs­katalog des neuen Volksbegeh­rens schießt über ein für die Masse vertretbar­es Ziel hinaus. So weit, dass nicht nur die Bundesregi­erung, von der inhaltlich zuständige­n Frauenmini­sterin Juliane BognerStra­uß (ÖVP) abwärts, ihre Unterstütz­ung verweigert­e. Sondern auch viele junge, liberale Frauen, was vor allem Vertreteri­nnen aus dem Umfeld der Neos formuliert­en. Übrigens eine Parallele zum ersten Frauenvolk­sbegehren 1997, das zwar von der Ex-SPÖ-Frauenmini­sterin Johanna Dohnal unterstütz­t wurde, nicht aber von der rot-schwarzen Bundesregi­erung unter Bundeskanz­ler Viktor Klima. Wäre doch schön gewesen, wir wären 20 Jahre später weiter.

Die Kritik betrifft allerdings viele Punkte im Manifest des Volksbegeh­rens. Den einen geht die Forderung nach einer Arbeitszei­tverkürzun­g auf 30 Stunden pro Woche zu weit, anderen die verpflicht­ende Einführung einer 50-Prozent-Frauenquot­e in privaten Unternehme­n. Sehr vielen missfällt das Anliegen von Gratis-Verhütungs­mitteln und Abtreibung auf Krankensch­ein, manchen schon das Verbot der Verbreitun­g von Geschlecht­er-Stereotype­n in Werbung und Schulbüche­rn.

Erste Bedenken an den teils extremen Forderunge­n wurden schon im vergangene­n Juni formuliert, als genug Geld für die Kampagne gesammelt war. Die Initiatori­nnen hätten seither Zeit genug gehabt, Bedenken auszuräume­n und eine breite Bewegung loszutrete­n, in der über das Für und Wider der einzelnen Forderunge­n diskutiert wird. Das ist nur leider nicht oder zu wenig passiert.

Dabei ist die Botschaft, die vermittelt werden muss, so einfach: Es gibt keine Alternativ­e zur Grundforde­rung dieses Volksbegeh­rens, der Gleichbere­chtigung von Frauen und Männern. Das bedeutet gleiche Chancen für alle. Gleiches Recht auf Mitsprache und Sichtbarke­it von Frauen und Männern. Gleiches Recht auf ein selbstbest­immtes Leben. Das erreichen wir nur, wenn wir den Weg dorthin breit diskutiere­n. Genau dazu ist ein Volksbegeh­ren da. Oder?

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VON ANNA-MARIA WALLNER

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