Die Presse

Warum der Fall Elsner ad acta gelegt wird

Bawag-Verfahren. Ex-Generaldir­ektor Helmut Elsner blitzte mit seinem Antrag auf Verfahrens­wiederaufn­ahme ab. Und das nach jahrelange­m Kampf. Ungeklärt bleibt, wo das Spekulatio­nsgeld der Bawag landete: 1,7 Milliarden Euro.

- VON MANFRED SEEH

Kommenden Juli ist es ein Jahrzehnt her, seit eine gewisse Claudia Bandion-Ortner Schuldsprü­che für neun Angeklagte verkündete: Allen voran wurde Ex-Bawag-General Helmut Elsner im Verfahren um die Karibik-Spekulatio­nen der seinerzeit­igen Gewerkscha­ftsbank bestraft. Bandion-Ortner wurde (per ÖVP-Ticket) Justizmini­sterin. Zwar kippte der OGH später Teile des Elsner-Urteils – unterm Strich setzte es aber die Höchststra­fe wegen Untreue zum Nachteil der Bawag: zehn Jahre Haft. Verlust für die Bank: 1,7 Milliarden Euro.

Der Mann, der das Bankgeld verspekuli­ert hatte, wurde freigespro­chen: der Investment­banker Wolfgang Flöttl. Logik des Urteils: Flöttl muss nicht gewusst haben, dass ihm Elsner das Geld nicht hätte überlassen dürfen. Ab 2015 kämpfte Elsner um eine Verfahrens­wiederaufn­ahme, denn: Flöttl habe „das Geld eingesteck­t“. Der Wiederaufn­ahmeantrag blieb aber ein Flopp. Der diesbezügl­iche Gerichtsbe­schluss wurde von Elsner weiter bekämpft. Wiederum erfolglos.

1 War das jetzt wirklich der letzte Akt in der Causa um die Karibik-Spekulatio­nen?

Diese Frage darf, ja muss bejaht werden. Ein Dreiersena­t des Oberlandes­gerichts (OLG) Wien (Vorsitz: Natalia Frohner) lässt in einem 64-seitigen Beschluss kein gutes Haar an den Elsner’schen Darlegunge­n. Und sagt in Sachen Flöttl (dieser wird ja von Elsner als mutmaßlich­er Betrüger dargestell­t): Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, aus Elsners „widersprüc­hlichem Vorbringen strafbare Sachverhal­tsalternat­iven zu extrahiere­n“.

2 Warum durfte sich Elsner doch gewisse Chancen auf eine Wende ausrechnen?

Der 82-Jährige konnte auf psychologi­sche Momente hoffen. Zuletzt hatte sich bei Beobachter­n so etwas wie eine Milde des Rückblicks eingestell­t. Auch bekam Elsner sanften Rückenwind durch Justizress­ortSektion­schef Christian Pilnacek. Dieser hat erklärt, die Strafsache sei „falsch verfolgt worden“. Damit stand im Raum, dass vielleicht eine Betrugsank­lage mehr Aufschlüss­e gebracht hätte als eine Untreue-Anklage. Ersteres hätte die Justiz gezwungen, den Verbleib des Bawag-Geldes zu erforschen.

3 Wie argumentie­rte Elsner im Rahmen seines Wiederaufn­ahmeantrag­s?

Es gab zwei Schienen: Erstens (siehe oben) sei er selbst getäuscht worden. Nämlich von Flöttl. Dieser habe die Gelder entgegen den Abmachunge­n verwendet. Flöttl wies dies immer scharf zurück. Zweitens: Der einstige Bawag-Eigentümer, der ÖGB, habe die Karibik-Geschäfte gewünscht. Also habe er, Elsner, seine Befugnis nicht missbrauch­t.

4 Was hielt das OLG Wien diesen Argumenten inhaltlich entgegen?

Der Senat blieb ganz formal. Erstens: Die von Elsner geforderte Strafverfo­lgung Flöttls sei nicht Gegenstand des Wiederaufn­ahmeverfah­rens. Zweitens: Elsner habe laut Urteil bankintern­e Bestimmung­en missachtet; etwaige Veranlagun­gswünsche des Eigentümer­s könnten dies auch nicht wegwischen.

5 Wie fällt die Kritik am abweisende­n Beschluss des OLG aus?

Justizkrit­iker orten eine gewisse Mutlosigke­it des Richtersen­ats. Klar ist: Eine Wiederaufn­ahme des Bawag-Verfahrens hätte zweifellos viel Staub aufgewirbe­lt. Elsner-Anwalt Andreas Stranzinge­r sieht eine „Methodik“der Beschlussb­egründung, „die von Willkür und bloßen Unterstell­ungen geprägt ist“.

6 Elsner hat viereinhal­b Jahre Haft verbüßt, muss er wieder ins Gefängnis?

Der Kardiologe Michael Gottsauner-Wolf hat den in Bad Reichenhal­l (Bayern) lebenden Ex-Banker im Auftrag des Gerichts untersucht: Weitere Vollzugsun­fähigkeit lasse sich durch die koronare Herzkrankh­eit nicht begründen. Jedoch wird die Einholung eines neurochiru­rgischen Gutachtens empfohlen.

7 Was sagt Helmut Elsner zu seinem Gesundheit­szustand?

Elsner: „Wollen Gottsauner-Wolf oder das Gericht durch den enormen Stress einer neuerliche­n Inhaftieru­ng eines 83-jährigen kranken Mannes den Zustand bei Haftentlas­sung wieder herbeiführ­en oder das Ableben?“(Anm: Elsner wird im Mai 83). Schließlic­h sei er als vollzugsun­tauglich entlassen worden. So habe sich sein Zustand verbessert. Würde er wieder eingesperr­t, verschlech­tere sich sein Zustand. „Soll ich die Haft nur als Leiche verlassen können?“

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