„Reich wirst du als Rodler nicht“
Interview. Rodel-Ikone Markus Prock schwärmt über Olympiasieger David Gleirscher, plaudert über Geld, verrät das Geheimnis des Erfolgs – und rechnet mit der Politik vergangener Tage ab.
Die Presse: Der Erfolg von David Gleirscher kam für viele überraschend. Auch für Sie? Markus Prock: David hat in dieser Saison immer wieder schnelle Läufe gezeigt, aber nie zweimal in Folge. Deshalb hat es im Weltcup nicht mit einem Podestplatz geklappt. Aber im November, während der internationalen Trainingswoche in Pyeongchang, ist er die schnellste Zeit gefahren, hat sich hier sehr wohlgefühlt. Wir wussten also, was er zu leisten imstande ist. Allerdings war Wolfgang Kindl (Doppelweltmeister, Anm.) auf dem Papier eher für die Medaille gut. Auf einen Sieg von David hätte ich nicht gewettet, aber so ist Olympia. Er hat die Gunst der Stunde genutzt!
Dieses Märchen wäre nie geschrieben worden, hätte er sich nicht auf den letzten Drücker für Olympia qualifiziert. Es war ein Dreikampf beim letzten Rennen vor Nennschluss in Lillehammer. Die Ausgangslage war klar: Wenn David, sein Bruder Nico Gleirscher oder Armin Frauscher in die Top sechs fahren, dann bucht derjenige das Olympiaticket. David wurde Sechster, die Entscheidung war klar. Er hat seine Nominierung mit Gold gedankt. Sie haben zwei Medaillen als Ziel ausgegeben, hätten dabei auch tiefer stapeln können. Warum haben Sie das nicht getan? Weil wir uns das einfach zutrauen, es nicht unrealistisch ist. Eine haben wir ja schon, die glänzt fast doppelt. Im Doppelsitzer haben wir eine Riesenchance, auch im Teambewerb, bei dem David fix dabei ist, ist etwas möglich.
Sie ziehen in Österreichs Rodelsport die Fäden, haben also auch Anteil an diesem Erfolg. Ich habe 2002 meine Karriere beendet, da war nicht mehr viel an Substanz im Verband vorhanden. Der Kopf mag ich sein, aber wir haben alle gemeinsam an der Zukunft gebastelt, neue Strukturen geschaffen. Am Ende des Tages müssen viele Puzzleteile zusammenpassen.
53, war Rennrodler und gewann 33 Weltcuprennen. Er wurde 1992 in Albertville und 1994 in Lillehammer mit Olympiasilber, 2002 in Salt Lake City mit Bronze ausgezeichnet. Seit 1997 betreibt er eine Sportagentur in Innsbruck, seit 2002 ist er ÖRV-Sportdirektor. Der Rodelverband ist eine Konstante, seit Olympia 1992 fixer Medaillenlieferant. Verraten Sie bitte die Gründe dieses Erfolgs. Mit einem semiprofessionellen Umfeld gewinnt man keine Medaillen. Unser großer Vorteil ist der Umstand, dass wir viele ehemalige Rodler und ehemalige Medaillengewinner in den Verband integriert haben, vom Jugendbereich bis zur Spitze. Tobias Schiegl (Doppel-Weltmeister), Markus Schmied (Olympia-Bronze), Veronika Halder (EM-Medaillengewinnerin), Cheftrainer Rene´ Friedl (Europameister, Deutschland), Karl Brunner (Weltmeister, Italien), um nur einige zu nennen. Sie alle haben dieses Rodlerherz, diese Leidenschaft, weil reich wirst du bei uns nicht. Wir verfügen also über viel Know-how, uns fehlt aber auch noch einiges.
Was fehlt dem Verband konkret? In der Spitze nicht allzu viel, aber wir würden gern mehr in das Scouting- und Jugendprogramm investieren, also in die Breite.
Es geht auch um Geld. Wie hoch ist der Etat des Rodelverbands? Wir haben ein Jahresbudget von zwei Millionen Euro. Es braucht nicht die doppelten Gelder, aber doch 600.000, 700.000 Euro mehr, um weiterhin ein Medaillenlieferant zu sein.
Welche Rolle spielt dabei die Infrastruktur? Österreichs Sport hat dort große Probleme. Da gibt es immer etwas Verbesserungsbedarf. Wir brauchen eine neue Startanlage in Igls, ich gehe davon aus, dass wir sie bekommen. In Imst, einer alten, traditionellen Bahn, möchte ich vier Kurven bauen lassen und ein zweites Leistungszentrum errichten.
Vizekanzler und Sportminister Strache hat sich für Donnerstag in Pyeongchang angekündigt . . . Ich werde mit ihm das Gespräch suchen, klar. Ich gehe davon aus, dass wir von der neuen Regierung bekommen, was wir brauchen, um weiter Medaillenlieferant zu sein. Es redet sich leichter, wenn Medaillen auf dem Tisch liegen. Hoffentlich kommt man weg vom Gießkannenprinzip. Wir wollen gehört werden.
Wurden Sie denn überhört? Jedes Jahr laufe ich wie ein Depp Geldern hinter. In Deutschland ist das anders, da gibt es Erfolg und damit das nötige Geld. Österreichs Sportsystem ist nach dem Krieg stehen geblieben: Einmal kommen zwei Prozent weg, einmal kommen zwei Prozent dazu. Ich hoffe wirklich auf eine neue Sportpolitik.