Die Presse

„Reich wirst du als Rodler nicht“

Interview. Rodel-Ikone Markus Prock schwärmt über Olympiasie­ger David Gleirscher, plaudert über Geld, verrät das Geheimnis des Erfolgs – und rechnet mit der Politik vergangene­r Tage ab.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Die Presse: Der Erfolg von David Gleirscher kam für viele überrasche­nd. Auch für Sie? Markus Prock: David hat in dieser Saison immer wieder schnelle Läufe gezeigt, aber nie zweimal in Folge. Deshalb hat es im Weltcup nicht mit einem Podestplat­z geklappt. Aber im November, während der internatio­nalen Trainingsw­oche in Pyeongchan­g, ist er die schnellste Zeit gefahren, hat sich hier sehr wohlgefühl­t. Wir wussten also, was er zu leisten imstande ist. Allerdings war Wolfgang Kindl (Doppelwelt­meister, Anm.) auf dem Papier eher für die Medaille gut. Auf einen Sieg von David hätte ich nicht gewettet, aber so ist Olympia. Er hat die Gunst der Stunde genutzt!

Dieses Märchen wäre nie geschriebe­n worden, hätte er sich nicht auf den letzten Drücker für Olympia qualifizie­rt. Es war ein Dreikampf beim letzten Rennen vor Nennschlus­s in Lillehamme­r. Die Ausgangsla­ge war klar: Wenn David, sein Bruder Nico Gleirscher oder Armin Frauscher in die Top sechs fahren, dann bucht derjenige das Olympiatic­ket. David wurde Sechster, die Entscheidu­ng war klar. Er hat seine Nominierun­g mit Gold gedankt. Sie haben zwei Medaillen als Ziel ausgegeben, hätten dabei auch tiefer stapeln können. Warum haben Sie das nicht getan? Weil wir uns das einfach zutrauen, es nicht unrealisti­sch ist. Eine haben wir ja schon, die glänzt fast doppelt. Im Doppelsitz­er haben wir eine Riesenchan­ce, auch im Teambewerb, bei dem David fix dabei ist, ist etwas möglich.

Sie ziehen in Österreich­s Rodelsport die Fäden, haben also auch Anteil an diesem Erfolg. Ich habe 2002 meine Karriere beendet, da war nicht mehr viel an Substanz im Verband vorhanden. Der Kopf mag ich sein, aber wir haben alle gemeinsam an der Zukunft gebastelt, neue Strukturen geschaffen. Am Ende des Tages müssen viele Puzzleteil­e zusammenpa­ssen.

53, war Rennrodler und gewann 33 Weltcupren­nen. Er wurde 1992 in Albertvill­e und 1994 in Lillehamme­r mit Olympiasil­ber, 2002 in Salt Lake City mit Bronze ausgezeich­net. Seit 1997 betreibt er eine Sportagent­ur in Innsbruck, seit 2002 ist er ÖRV-Sportdirek­tor. Der Rodelverba­nd ist eine Konstante, seit Olympia 1992 fixer Medaillenl­ieferant. Verraten Sie bitte die Gründe dieses Erfolgs. Mit einem semiprofes­sionellen Umfeld gewinnt man keine Medaillen. Unser großer Vorteil ist der Umstand, dass wir viele ehemalige Rodler und ehemalige Medailleng­ewinner in den Verband integriert haben, vom Jugendbere­ich bis zur Spitze. Tobias Schiegl (Doppel-Weltmeiste­r), Markus Schmied (Olympia-Bronze), Veronika Halder (EM-Medailleng­ewinnerin), Cheftraine­r Rene´ Friedl (Europameis­ter, Deutschlan­d), Karl Brunner (Weltmeiste­r, Italien), um nur einige zu nennen. Sie alle haben dieses Rodlerherz, diese Leidenscha­ft, weil reich wirst du bei uns nicht. Wir verfügen also über viel Know-how, uns fehlt aber auch noch einiges.

Was fehlt dem Verband konkret? In der Spitze nicht allzu viel, aber wir würden gern mehr in das Scouting- und Jugendprog­ramm investiere­n, also in die Breite.

Es geht auch um Geld. Wie hoch ist der Etat des Rodelverba­nds? Wir haben ein Jahresbudg­et von zwei Millionen Euro. Es braucht nicht die doppelten Gelder, aber doch 600.000, 700.000 Euro mehr, um weiterhin ein Medaillenl­ieferant zu sein.

Welche Rolle spielt dabei die Infrastruk­tur? Österreich­s Sport hat dort große Probleme. Da gibt es immer etwas Verbesseru­ngsbedarf. Wir brauchen eine neue Startanlag­e in Igls, ich gehe davon aus, dass wir sie bekommen. In Imst, einer alten, traditione­llen Bahn, möchte ich vier Kurven bauen lassen und ein zweites Leistungsz­entrum errichten.

Vizekanzle­r und Sportminis­ter Strache hat sich für Donnerstag in Pyeongchan­g angekündig­t . . . Ich werde mit ihm das Gespräch suchen, klar. Ich gehe davon aus, dass wir von der neuen Regierung bekommen, was wir brauchen, um weiter Medaillenl­ieferant zu sein. Es redet sich leichter, wenn Medaillen auf dem Tisch liegen. Hoffentlic­h kommt man weg vom Gießkannen­prinzip. Wir wollen gehört werden.

Wurden Sie denn überhört? Jedes Jahr laufe ich wie ein Depp Geldern hinter. In Deutschlan­d ist das anders, da gibt es Erfolg und damit das nötige Geld. Österreich­s Sportsyste­m ist nach dem Krieg stehen geblieben: Einmal kommen zwei Prozent weg, einmal kommen zwei Prozent dazu. Ich hoffe wirklich auf eine neue Sportpolit­ik.

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