Die „rote Maschine“im Goldrausch
Eishockey. Ohne NHL-Stars haben sich die Kräfteverhältnisse im Olympiaturnier verschoben. Die Russen sind zum Goldfavoriten Nummer eins aufgestiegen, Titelverteidiger Kanada und die USA mussten neue Strategien entwickeln.
Seit dem Auftaktspiel wird die NHL-Saison von der Debatte begleitet, ob nun der Kanadier Connor McDavid, 21, oder sein Landsmann Sidney Crosby, 30, der beste Eishockeyspieler der Welt ist. Während aber Kanada beim Olympiaturnier um die dritte Goldmedaille in Folge kämpft, sind beide für ihre Arbeitgeber in der NHL im Einsatz. Die stärkste Liga der Welt hat sich geweigert, den Grunddurchgang zu unterbrechen.
Dass erstmals seit 1994 die besten Spieler bei Olympia fehlen, hat auch für neue Kräfteverhältnisse gesorgt. Kanadas Coach, Willie Desjardins, setzt nun auf ehema- lige NHL-Profis wie Goalie Ben Scrivens. Insgesamt hält sein Kader so immer noch bei 5544 NHLPartien (regular season), Durchschnittsalter: 30,44 Jahre.
Während die kanadischen Namen also zumindest Hockeyfans ein Begriff sein dürften, ist die USA gar mit vier Collegespielern angereist. Angeführt werden sie vom 39-jährigen Brian Gionta, Goalie Ryan Zapolski, 31, vom finnischen Klub Jokerit ist noch mit der erfahrenste US-Amerikaner. Ein Triumph wäre ein „Miracle on Ice“wie 1980 in Lake Placid.
Klarer Goldfavorit in Pyeongchang ist die Sbornaja. Die Russen haben die ehemaligen NHL-Stars Ilya Kovalchuk, Pavel Datsyuk und Slava Voynov in ihren Reihen, außerdem Topspieler der Kontinental Hockey League wie Nikita Gusev und Nikita Nesterov. 8:1 haben sie die Südkoreaner in einem Testspiel abgefertigt. Vor dem Auftaktspiel am Mittwoch gegen die Slowakei (13.10 Uhr) sprach Nesterov von einer „roten Maschine“.
Doch ausgerechnet in jenem Turnier, in dem die Russen die allerbesten Goldchancen seit ihrem bisher letzten Triumph 1992 haben, werden sie nicht im traditionellen Weiß-Blau-Rot auflaufen, sondern ob der IOC-Sanktionen in den schlichten roten Trikots der „Olympischen Athleten aus Russ- land“. „Darüber denke ich nicht nach“, erklärte Nesterov, einst Verteidiger in Nordamerika.
Bei den Spielen in Sotschi 2014, damals mit den NHL-Stars Alex Ovechkin und Evgeni Malkin, war im Viertelfinale Endstation. Nun setzt Coach Oleg Znarok wie zu Sowjetzeiten auf starke Vereinsblöcke von SKA St. Petersburg und ZSKA Moskau. „Auch ich sehe sie als Team mit den talentiertesten Spielern“, meinte US-Coach Tony Granato. Und Nesterov (Moskau) erzählte, der abwesende Superstar Ovechkin, der den Beschluss der NHL am lautesten kritisierte hatte, habe der Mannschaft persönlich einen Auftrag erteilt: Gold. (joe)