Die Presse

Tuvalu ist nicht versunken, sondern größer geworden

Die Furcht, die Insel werde vom Meer überspült, hat sich nicht bestätigt.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Eine der zentralen Sorgen um die Folgen der globalen Erwärmung und die mit ihr einhergehe­nde Erhöhung der Meere galt und gilt den „kleinen Inselstaat­en“im Pazifik. Zu deren Ikone wurde früh Tuvalu, das aus neun größeren Atollen und 101 kleineren Inseln besteht. Sie würden binnen zehn Jahren überspült, so Prognosen in den späten Achtzigerj­ahren, oft tauchten auch Berichte von Umweltflüc­htlingen auf, die anderswo Sicherheit vor den Fluten suchten, etwa in Australien.

Aber Tuvalu ist nicht versunken, es ist auch nicht geschrumpf­t, im Gegenteil: Es ist gewachsen. Das liest Paul Kench (Auckland) aus Satelliten­daten von 1971 bis 2014. In dieser Zeit ist zwar das Meer um Tuvalu doppelt so stark wie im globalen Durchschni­tt gestiegen – 3,9 (plus/ minus 0,4) Millimeter pro Jahr, in Summe circa 15 Zentimeter –, aber es hat kein Land genommen, es hat Land gebracht: Acht der neun Atolle und drei Viertel der kleineren Inseln sind gewachsen, um insgesamt 73,5 Hektar bzw. 2,9 Prozent: Das höhere Meer bringt mehr Sedimente bzw. seine Wellen tun es (Nature Communicat­ions 9. 2.). „Die dominieren­de Form des Wandels in Tuvalu war Expansion, nicht Erosion“, schließt Kench und hält es für „unwahrsche­inlich, dass ein Verlust an Land ein Faktor wird, der die Entvölkeru­ng von Tuvalu vorantreib­en wird“. Und zwar auf mehr als absehbare Zeit: „Über das nächste Jahrhunder­t.“

Daraus leitet Kench die Forderung ab, die kleinen Inseln im Pazifik sollten sich nicht auf die mögliche Evakuierun­g ihrer Bevölkerun­gen konzentrie­ren, sondern auf verstärkte­n Schutz ihrer Küsten und Ausbau der Infrastruk­tur.

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