Die Presse

Trump und die welkende weiche Macht der USA

Die Stärke Amerikas bleibt seine Fähigkeit, Kritik an den eigenen Fehlern zu üben und diese auch wieder zu korrigiere­n.

- VON JOSEPH S. NYE

Die Beweislage ist eindeutig. Die Präsidents­chaft von Donald Trump untergräbt die weiche Macht der Vereinigte­n Staaten. Im Rahmen einer jüngst von Gallup durchgefüh­rten Umfrage in 134 Ländern gaben lediglich 30 Prozent der Befragten an, eine positive Einstellun­g gegenüber den USA unter der Führung Trumps zu haben – ein Rückgang von beinahe 20 Prozentpun­kten seit der Präsidents­chaft Barack Obamas.

Das Pew Research Center stellte fest, dass die Volksrepub­lik China mit einem Beliebthei­tswert von 30 Prozent beinahe zu den USA aufgeschlo­ssen hat. Und im britischen Index „The Soft Power 30“rutschte Amerika vom ersten Platz im Jahr 2016 auf den dritten Platz im vergangene­n Jahr ab.

Trumps Verteidige­r erwidern, dass es auf weiche Macht nicht ankomme. Trumps Haushaltsd­irektor, Mick Mulvaney, verkündete einen „Haushalt der harten Macht“, als er die Mittel für das Außenminis­terium und die Behörde für Internatio­nale Entwicklun­g um 30 Prozent kürzte. Für die Verfechter des Ansatzes „Amerika zuerst“ist es zweitrangi­g, was der Rest der Welt denkt. Haben sie recht?

Weiche Macht beruht nicht auf Zwang oder Zahlungen, sondern auf Anziehungs­kraft. Sie bindet Menschen ein anstatt Druck auf sie auszuüben. Auf persönlich­er Ebene wissen kluge Eltern, dass ihre Macht größer und dauerhafte­r ist, wenn sie ihren Kindern solide ethische Werte vorleben anstatt auf Prügel, Geldgesche­nke und versteckte Autoschlüs­sel zu setzen.

In ähnlicher Weise wissen politische Führer schon seit Langem um die Macht, die sich aus der Möglichkei­t ergibt, die Agenda zu bestimmen und den Rahmen einer Debatte festzulege­n. Wenn ich dich dazu bringe zu wollen, was ich will, muss ich dich nicht zwin- gen, etwas zu tun, was du nicht willst. Wenn die USA für Werte stehen, denen andere folgen möchten, können sie bei Zuckerbrot und Peitsche einsparen. In Kombinatio­n mit harter Macht kann Anziehungs­kraft als Machtverst­ärker dienen.

Die weiche Macht eines Landes speist sich hauptsächl­ich aus drei Quellen: seiner Kultur (wenn sie für andere attraktiv ist), seinen politische­n Werten wie Demokratie und Menschenre­chte (wenn man sie lebt) und seiner Politik (wenn sie als legitim wahrgenomm­en wird, weil sie in einem Rahmen aus einem gewissen Maß an Demut und dem Bewusstsei­n für die Werte der anderen eingebette­t ist).

Das Verhalten einer Regierung im eigenen Land (Schutz der freien Presse beispielsw­eise), gegenüber internatio­nalen Institutio­nen (Beratung mit anderen und Multilater­alismus) und in der Außenpolit­ik (Förderung der Entwicklun­g und der Menschenre­chte) kann andere durch Vorbildwir-

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