Rochade im Höchstgericht vertagt
Verfassungsgerichtshof. Der für heute erwartete Regierungsbeschluss über die neue VfGHSpitze ist vertagt. Grund dürfte einer der FPÖ-Wunschkandidaten sein: Tassilo Wallentin.
Brigitte Bierlein wird doch nicht heute zur Chefin des Verfassungsgerichtshofs ernannt. Grund sind Differenzen mit der FPÖ.
Die türkis-blaue Regierung reizt die von ihr selbst gesetzte Frist für die Besetzung freier Stellen am Verfassungsgerichtshof (VfGH) voll aus. Die Koalition will ja dafür sorgen, dass das Höchstgericht bei seiner am 26. Februar beginnenden nächsten Session ein volles und definitives Präsidium hat. Wie berichtet, dürfte Vizepräsidentin Brigitte Bierlein, die einst auf ÖVP-Wunsch ans Höchstgericht gekommen ist und derzeit interimistisch den mit Jahreswechsel ausgeschiedenen Präsidenten Gerhart Holzinger ersetzt, von der Regierung als erste Frau an der Spitze des VfGH nominiert werden. Es gilt allerdings auch noch die Wünsche des Koalitionspartners FPÖ zu berücksichtigen; und hier scheint es ein wenig zu haken, sodass die Koalition einen für heute, Mittwoch, erwarteten Regierungsbeschluss auf nächste Woche verschieben musste.
FPÖ will zwei Mitglieder aussuchen
Mit Jahreswechsel sind neben Holzinger auch zwei der zwölf „gewöhnlichen“VfGHMitglieder 70-jährig in Pension gegangen: Eleonore Berchtold-Ostermann und Rudolf Müller. Sie war – mit einem ÖVP-Ticket – auf Vorschlag des Bundesrats ans Höchstgericht gekommen, er – mit einem SPÖ-Ticket – auf Vorschlag des Nationalrats. Für alle VfGHMitglieder der letzten Jahre gilt, dass sie mit dem Vertrauen der SPÖ oder der ÖVP dem Bundespräsidenten zur Nominierung vorgeschlagen wurden. Grund genug für die FPÖ, diesmal ein Wörtchen mitreden zu wollen, wie zuletzt unter Schwarz-Blau bei Herbert Haller, der bis 2010 Höchstrichter war: Die Freiheitlichen haben einen Anspruch auf gleich zwei Nominierungen angemeldet.
Dafür sind sie offenbar bereit, der ÖVP bei der Kür der Präsidentin und deren Nachfolger den Vortritt zu lassen: Als neuer Vizepräsident gilt Christoph Grabenwarter als gesetzt, Professor für Öffentliches Recht an der WU und schon jetzt Mitglied des VfGH. Weil Grabenwarter 2005 auf Vorschlag der Bundesregierung ans Höchstgericht gekommen ist, hat die Regierung auch das Recht, seinen Nachfolger zu bestimmen.
Einen entsprechenden Vorschlag könnte sie gleich mit den Nominierungen für das VfGH-Präsidium über den Ballhausplatz hinüber zu Bundespräsident Alexander Van der Bellen schicken. Zwei Kandidaten dürften in der engsten Wahl stehen: der Strafrechtsprofessor und Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP-Wunsch) und Andreas Hauer (FPÖ-Wunsch), Professor für Öffentliches Recht an der Uni Linz. Beide haben in ihren Fächern einen sehr guten Ruf, aber gegen beide wurden Bedenken laut.
Ein Wechsel direkt aus der Regierung in den (auch) sie kontrollierenden VfGH ist zumindest ungewöhnlich: In der Zweiten Republik gab es noch keinen einzigen solchen Fall. Die Verfassung erlaubt es allerdings, indem sie ausdrücklich nur für die Stellen des Präsidenten und des Vizepräsidenten eine fünfjährige Cooling-off-Periode vorschreibt. Hauer hingegen wird vom politischen Gegner die Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung und ein Auftritt als Festredner beim Akademikerball angekreidet. Keines von beiden ist verboten. Ob nun über den Regierungsvorschlag oder das Parlament: Brandstetter und Hauer gelten als Fixstarter.
ÖVP-Einwände gegen EU-Skeptiker
Damit bleibt als Wackelkandidat der zweite Jurist, den die FPÖ gerne am VfGH hätte: Tassilo Wallentin, der als Kolumnist der „Kronen Zeitung“die Sonntagsleser mit pointierten Kommentaren beglückt, nicht selten von gehöriger EU-Skepsis und der einen oder anderen Verschwörungstheorie getragen. Weil Wallentin Rechtsanwalt und weder Professor noch Richter oder Verwaltungsbeamter ist, kann er laut Verfassung nicht von der Regierung, sondern nur vom Parlament nominiert werden. Die Koalition dürfte aber wohl gleich das gesamte Paket schnüren wollen. Dem Vernehmen nach legt sich die ÖVP aber gegen Wallentin quer.
Der für heute erwartete Beschluss der Regierung über die Nominierung von Brigitte Bierlein als VfGH-Präsidentin verzögert sich. Die ÖVP legt sich gegen das von der FPÖ gewünschte VfGHMitglied Tassilo Wallentin quer.