Die Presse

Die FPÖ und ihr nicht ganz unbekannte­s Wesen

Mit dem „Who’s who“des nationalko­nservative­n Lagers dieses Landes allein wird der FPÖ die Aufarbeitu­ng ihrer Vergangenh­eit nicht gelingen.

- E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

W ollen wir der „Historiker­kommission“der FPÖ ein wenig Vorarbeit abnehmen: 1949 gründen die Journalist­en Herbert Kraus und Viktor Reimann den Verband der Unabhängig­en. Beide gelten als relativ liberale Bürgerlich­e, sind vom Nationalso­zialismus unbelastet – Reimann war zwar anfangs illegaler Nazi, ging dann jedoch in den Widerstand – und haben eine Idee, die eigentlich nicht funktionie­ren kann: ein Sammelbeck­en für Bürgerlich-Liberale, die sich von SPÖ und ÖVP nicht vertreten fühlen (wollen) und für ehemalige Nationalso­zialisten gleicherma­ßen. Und es funktionie­rt wirklich nicht. Die Nationalen sind in der Mehrheit, stürzen die liberale Führung und übernehmen die Macht in der Partei, die sie 1956 auch umbenennen: in Freiheitli­che Partei Österreich­s.

Und ebendiese Partei, die FPÖ, nunmehr zum dritten Mal in der Zweiten Republik in Regierungs­verantwort­ung, will sich jetzt spät, aber doch – und durch Druck von außen – ihrer Vergangenh­eit stellen und diese aufarbeite­n.

Noch sieht die „Historiker­kommission“der FPÖ aus wie das „Who’s who“des nationalko­nservative­n Lagers dieses Landes: Wilhelm Brauneder, Andreas Mölzer, Hilmar Kabas, Peter Fichtenbau­er, Ursula Stenzel, Anneliese Kitzmüller, Harald Stefan, Norbert Nemeth, Reinhard Bösch. Da sind unzweifelh­aft Personen dabei, die sich mit der Geschichte der Nationalli­beralen bestens auskennen, allen voran Brauneder, Mölzer und Nemeth. Und das ist dann schon auch das Problem: Nennen wir es – vereinfach­t gesagt – Betriebsbl­indheit. A ber da man von der FPÖ hier zu Recht Differenzi­erung verlangt, wollen wir dem auch Rechnung tragen: Mölzer, Kabas, Kitzmüller und Co. sitzen in der sogenannte­n Koordinier­ungsgruppe (was immer das nun auch konkret sein soll). Die eigentlich­e Historiker­gruppe, die von Wilhelm Brauneder geleitet wird, soll auch externe Historiker miteinbezi­ehen. So zumindest die gestrige Absichtser­klärung.

Sollte es die FPÖ mit der Aufarbeitu­ng ihrer Vergangenh­eit wirklich ernst meinen, dann wird genau diese Beiziehung von parteiunab­hängigen Experten das Entscheide­nde sein.

Die SPÖ hat das bei der Aufarbeitu­ng ihrer Vergangenh­eit getan. Genauer gesagt ging es damals um die Aufarbeitu­ng der Vergangenh­eit des Bundes Sozialisti­scher Akademiker (BSA), der in der Nachkriegs­zeit ehemalige Nationalso­zialisten in die SPÖ geführt hat. Womit beiden gedient war: Die SPÖ kam zu akademisch­em Personal, die Ex-Nazis wurden gewisserma­ßen vom braunen Schmutz befreit. Unter ihren Vorsitzend­en Sepp Rieder und Caspar Einem wurde dieses heikle Thema im BSA dann angegangen. Experten des Dokumentat­ionsarchiv­s des Österreich­ischen Widerstand­s wurden mit der Arbeit beauftragt. Der Endbericht war umfangreic­h und schonungsl­os. Aufgeliste­t waren zahlreiche ehemalige begeistert­e Nationalso­zialisten, die in und dank der SPÖ Karriere gemacht hatten – als Minister und Generaldir­ektor, als Polizeiprä­sident oder Primarius. D ie FPÖ sollte einen ähnlichen Weg gehen: Je vielfältig­er der Blick von außen ausfällt, desto besser. Er könnte kathartisc­he Wirkung haben. Denn wie die freiheitli­che „Koordinier­ungsgruppe“die Welt sieht, wissen wir ohnehin: Die Nationalli­beralen, die im 19. Jahrhunder­t für Freiheit, Demokratie und ein geeintes Deutschlan­d gekämpft hätten, seien später leider den Versuchung­en des Nationalso­zialismus erlegen, dann aus den Ruinen aber geläutert wiederaufe­rstanden. Ist eh auch ein Teil der Wahrheit. Aber eben nicht die ganze.

Die diversen deutschnat­ionalen/nationalli­beralen Parteien waren ein wesentlich­er Bestandtei­l des politische­n Systems des Habsburger­reiches in seiner Endzeit – und sie haben auch einen wesentlich­en Teil zu dessen Untergang beigetrage­n. In der Ersten Republik saßen sie als Koalitions­partner in etlichen Regierunge­n. Bis sehr viele von ihnen zu den Nationalso­zialisten überliefen.

Und nicht wenige taten sich auch nach 1945 schwer, sich davon zu lösen.

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VON OLIVER PINK

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