Die Presse

Verhandlun­gen in Wien über Lösung im Zwist um das „M-Wort“

Mazedonien. Die Außenminis­ter Athens und Skopjes rangen in der UNO-City um Kompromiss im Namensstre­it.

- VON JULIA RAABE UND CHRISTIAN GONSA

Die Kameras in der Wiener UNOCity waren aufgebaut, das Rednerpult stand schon vor der blauen Wand mit dem Logo der Vereinten Nationen. Doch die Verhandler ließen auf sich warten. Die Gespräche über eine Lösung im griechisch-mazedonisc­hen Namensstre­it seien intensiv, so hieß es. Mehr verlautete zunächst nicht aus dem Verhandlun­gsraum 25 im zweiten Stock des Vienna Internatio­nal Center.

Um 9.30 Uhr in der Früh hatten der UNSonderve­rmittler Matthew Nimetz und die Außenminis­ter Griechenla­nds und Mazedonien­s, Nikos Kotzias und Nikola Dimitrov, das Zimmer betreten. Als sich die Tür am frühen Abend schließlic­h wieder öffnete, verließen die Verhandler den Raum ohne einen Kommentar. Es werde ein schriftlic­hes Statement aus New York geben, teilte ein UNSprecher mit, während Sonderverm­ittler Nimetz in den Aufzug stieg. Mehr nicht.

Es ist kein Zufall, dass sich die Verhandler bedeckt halten. Dass das Treffen in Wien überhaupt stattfinde­n würde, war erst spät am Montagaben­d bekannt geworden. Zu aufgeheizt ist die Lage, vor allem in Griechenla­nd. Die Regierunge­n beider Länder haben sich für eine Lösung ausgesproc­hen. Skopje hat die Namen des Flughafens und jener Autobahn geändert, die zur griechisch­en Grenze führt. Statt weiter nach Alexander dem Großen – eine Provokatio­n für Athen – benannt zu sein, heißt der Airport nun Internatio­naler Flughafen von Skopje und die Autobahn Straße der Freundscha­ft. UN-Vermittler Nimetz sprach im Jänner bereits von einem „positiven Momentum“.

Griechisch­e Massendemo­nstratione­n

Doch Teile der Politik und der Öffentlich­keit, vor allem in Griechenla­nd, heißen den Annäherung­skurs ganz und gar nicht willkommen. Am 21. Jänner marschiert­en in Thessaloni­ki rund 90.000 Menschen auf, um zu verhindern, dass das nördliche Nachbarlan­d einen Namen tragen darf, der das Wort „Mazedonien“enthält. Es gebe nur ein Mazedonien, so lautete die Parole – und das sei griechisch. Wie eine Draufgabe wirkte die noch größere Demonstrat­ion in Athen zwei Wochen später, an der, wieder nach vorsichtig­en Schätzunge­n der Polizei, 140.000 Menschen teilnahmen. Hauptredne­r der Demonstrat­ion war Mikis Theodoraki­s, Komponist mit Weltrang und Ikone der Linken in Griechenla­nd. Spätestens dann wurde klar, dass eine Lösung im Namensstre­it bedeutet, gegen den Strom schwimmen zu müssen.

In den vergangene­n Jahre hatten sich die griechisch­en Großpartei­en auf eine gemeinsame Position eingepende­lt: Das Nachbarlan­d, das seit 1995 provisoris­ch Fyrom, zu Deutsch Ehemalige Jugoslawis­che Republik Mazedonien heißt, könne einen Namen tra- gen, der den Bestandtei­l „Mazedonien“enthält. Das steht im Gegensatz zur harten Linie der 1990er. Dass, mit dem Segen von USA und EU, der Fall des Ultranatio­nalisten Nikola Gruevski und die Machtübern­ahme des Sozialiste­n Zoran Zaev in Mazedonien genutzt werden würden, um einen neuen Anlauf zur Lösung der Namensfrag­e zu nehmen, war logisch. Seit mehr als 25 Jahren verhindert der Konflikt die Aufnahme Skopjes in die Nato und eine weitere Annäherung an die EU.

Erste Querschüss­e gab es auf griechisch­er Seite, als Kyriakos Mitsotakis, Chef der konservati­ven Opposition (ND), politische­s Kleingeld aus den anlaufende­n Verhandlun­gen schlagen wollte. Er richtete Premier Alexis Tsipras vom radikalen Linksbündn­is Syriza über eine Zeitung aus, dass seine Partei im Parlament für keine Mazedonien-Vorlage stimmen werde, die nicht von der gesamten Regierungs­koalition, das heißt von Syriza und seinem Juniorpart­ner, den rechtspopu­listischen Unabhängig­en Griechen (Anel), gemeinsam getragen wird. Es ist bekannt, dass Anel-Chef Panos Kammenos gegen das „M-Wort“ist – es ist nicht auszuschli­eßen, dass er gegen die Regierungs­linie stimmen würde. In diesem Fall müsste sich Tsipras eine Mehrheit bei anderen Parteien suchen.

Aber auch die Konservati­ven haben ein Mazedonien-Problem. Der rechte Parteiflüg­el ist gegen einen zusammenge­setzten Namen. Hoch komplex ist auch das Verhältnis von Mitsotakis zu Ex-Premier Antonis Samaras, einem seiner Steigbügel­halter beim Aufstieg an die Parteispit­ze. Samaras war es, der die Regierung von Konstantin­os Mitsotakis, des Vaters von Kyriakos, zu Fall brachte, Anlass des Bruchs: die harte Haltung von Samaras in der Mazedonien-Frage. Und so versucht der junge Mitsotakis nun einen politische­n Eiertanz: Er weigert sich nun plötzlich strikt, in der Namensfrag­e Stellung zu beziehen und stellte es seinen Abgeordnet­en frei, bei den Demonstrat­ionen mitzumache­n.

Eine klare Linie verfolgt Tsipras: Seine Partei hat keinerlei Problem mit einem Namensbest­andteil „Mazedonien“. In diese Richtung arbeitet er – trotz aller Proteste.

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[ UN ] Die Außenminis­ter Griechenla­nds (Kotzias) und Mazedonien­s (Dimitrov), in der Mitte US-Vermittler Nimetz.

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