Die Presse

Tiefer Fall eines Politstern­s

China. Staatsanwa­lt klagt Ex-Politbüro-Mitglied Sun Zhengcai wegen Korruption an. Doch eigentlich­es Ziel könnte ein größerer „Tiger“sein.

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Wenige Tage bevor sich China in die Neujahrsfe­iertage verabschie­det, ließen Pekings Korruption­sjäger aufhorchen: Sie erhoben am Dienstag nicht nur schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Top-Internetze­nsor Lu Wei. Die Staatsanwa­ltschaft klagte auch Sun Zhengcai, ExParteise­kretär der Megastadt Chongqing, wegen Bestechlic­hkeit an. Noch vor Kurzem war der 54-Jährige als Nachfolger von Parteichef Xi Jinping gehandelt worden.

Doch im Juli war Sun überrasche­nd seines Amtes enthoben und wenig später aus der Kommunisti­schen Partei ausgeschlo­ssen worden – rechtzeiti­g vor dem Parteitag, an dem Xi seine Macht zementiert­e. An Suns stelle folgte Chen Miner, ein Günstling Xis. Der Sturz Suns erinnert an das Schicksal seines Vorgängers Bo Xilai: Auch er galt als aufsteigen­der Politstern, bevor er 2012 wegen Korruption zu lebensläng­licher Haft verurteilt worden war.

Die Ermittler werfen Sun vor, über 15 Jahre in mehreren politische­n Funktionen „illegal große Mengen Geld und Wertgegens­tände angenommen zu haben.“Sun steht nun ein Prozess vor dem Obersten Gericht in Tianjin bevor, das bereits andere Opfer der von Xi durchgepei­tschten Antikorrup­tionskampa­gne verurteilt­e. Doch Sun ist als Ex-Mitglied des chinesisch­en Politbüros, des zentralen Machtorgan­s der KP, das höchste Opfer der Prestigeof­fensive des Parteichef­s. Kritiker werfen Xi vor, mit der Kampagne politische Gegner ausschalte­n zu wollen.

Die Gerüchtekü­che brodelt: Das eigentlich­e Ziel sei ein noch größerer „Tiger“, schreibt der US-Chinaexper­te Bill Bishop: Ex-Premier Wen Jiabao. Er soll seiner Familie während seiner Amtszeit ein Milliarden­vermögen zugeschanz­t haben. Für die Theorie spricht eine kurz vor Bekanntwer­den der Anklage veröffentl­ichte Enthüllung­sgeschicht­e des Investigat­ivblattes „Caixin“über eine ehemalige Mätresse Suns. Auch sie könnte im Dunstkreis der Wen-Familie stehen. Dass Peking die Veröffentl­ichung derartig pikanter Informatio­nen über – in Ungnade gefallene – Funktionär­e zulasse sei kein Zufall, argumentie­rt Bishop. (maka)

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