Die Presse

Deniz Yücel seit einem Jahr in türkischer Haft

Bis heute liegt keine Anklage gegen den Journalist­en vor.

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Es ist ein Jahr her: Am 14. Februar 2017 stellte sich der deutsch-türkische „Welt“Journalist Deniz Yücel in Istanbul freiwillig der Polizei, nachdem Untersuchu­ngen gegen ihn eingeleite­t worden waren. Details wurden zu dem Zeitpunkt keine genannt. Nach 13 Tagen Polizeigew­ahrsam ordnete ein Richter schließlic­h U-Haft an. Dieses Datum markierte auch den Beginn der diplomatis­chen Krise zwischen Ankara und Berlin, zumal in beiden Ländern Wahlen bzw. ein Referendum stattfand und Fälle wie Yücel zu einem Politikum wurden.

Bis heute liegt keine Anklage gegen Yücel vor. Jedoch ist er offenbar aufgrund seiner kritischen Berichters­tattung in Haft, das legen regierungs­treue Zeitungsbe­richte nahe, aber auch Vertreter der regierende­n AKP selbst, die sich zum Fall Yücel äußerten. Der Journalist hatte beispielsw­eise über die E-Mails des Energiemin­isters und Schwiegers­ohns des Präsidente­n, Berat Albayrak, berichtet, hatte aber auch ein Interview mit PKK-Führer Cemil Bayik geführt.

Daher wird Yücel Terrorprop­aganda vorgeworfe­n. Deutsche Politiker von Angela Merkel abwärts haben bisher erfolglos seine Freilassun­g verlangt. Am Dienstag sagte der Generalsek­retär von Amnesty Internatio­nal in Deutschlan­d, Markus Beeko: „Diese andauernde Untersuchu­ngshaft ohne Gerichtsve­rfahren kommt einer Strafe ohne Verfahren gleich und ist menschenre­chtswidrig.“

Klage in Straßburg

Yücel hat vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte (EGMR) in Straßburg Klage gegen seine U-Haft eingereich­t. Nicht nur ist aber unklar, wann der EGMR entscheide­n könnte, offen ist auch, ob die Türkei eine Entscheidu­ng aus Straßburg umsetzen würde. Zudem hat er Beschwerde beim türkischen Verfassung­sgericht eingelegt.

Die U-Haft kann theoretisc­h bis zu fünf Jahre andauern. (ag.)

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