Die Presse

Betrugsvor­wurf gegen Ungarn

Laut EU-Antikorrup­tionsbehör­de könnte Orb´ans Schwiegers­ohn an „organisier­tem Betrug“mit Fördergeld­ern beteiligt gewesen sein. 43 Millionen Euro sollen zurückgeza­hlt werden. Staatsauft­räge.

- Von unserem Korrespond­enten BORIS KALNOKY´

In Ungarn herrscht Wahlkampf und die Regierung versucht erneut, mit Migrations­themen zu punkten. Bisher gelang es ihr auf diese Weise gut, die von der Opposition immer öfter vorgebrach­ten Korruption­svorwürfe in den Schatten zu stellen. Doch nun rücken der Verdacht auf systematis­chen Missbrauch mit EU-Geldern zunehmend in den Vordergrun­d, vor allem durch einen Bericht der EUAntikorr­uptionsbeh­örde OLAF über eine Firma, die einst zum Teil dem Schwiegers­ohn von Ministerpr­äsident Viktor Orban´ gehörte, Istvan´ Tiborcz.

Elios – so der Name des Unternehme­ns – soll bei der Vergabe von Staatsauft­rägen bevorteilt worden sein und bei deren Umsetzung Regelwidri­gkeiten begangen haben. Die Affäre köchelt seit Jahren vor sich hin, aber die häppchenwe­ise Veröffentl­ichung des OLAF-Berichts durch das regierungs­kritische Nachrichte­nportal 24.hu sorgt nun für fette Schlagzeil­en. Demnach soll es bei jedem einzelnen Staatsauft­rag für Elios Regelwidri­gkeiten gegeben haben, in 17 Fällen sogar den Verdacht auf „organisier­ten Betrug“. OLAF empfiehlt der EU-Kommission, die Rückforder­ung von rund 43 Millionen Euro an EU-Subvention­en einzuleite­n.

Die Opposition­spartei Demokratis­che Koalition gab am Samstag bekannt, sie habe Anzeige gegen den Leiter des Ministerpr­äsidentena­mtes erstattet, Janos´ Laz´ar.´ Die von ihm als Bürgermeis­ter geführte Stadt Hodmezöv´as´arhely´ hatte der Firma den ersten von vielen öffentlich­en Aufträgen gegeben, unter – laut OLAF – regelwidri­gen Umständen.

Regierungs­kritische Medien und natürlich die Opposition schießen sich nun auf Tiborcz ein. Die regierungs­nahe Zeitung Magyar Idök versucht die Vorwürfe hingegen umzulenken: Orbans´ Schwiegers­ohn sei nie Firmenchef oder Geschäftsf­ührer bei Elios gewesen, und sein Name finde sich in keinem der monierten Verträge. Vielmehr sei damals Lajos Simicska direkt oder indirekt Mehrheitse­igentümer gewesen. Simicska war allerdings zu jener Zeit ebenfalls ein enger Vertrauter Orbans.´ 2014 kam es zum Bruch zwischen beiden Männern, sie sind heute Erzfeinde. Simicska wird nachgesagt, er finanziere inzwischen die rechte Opposition­spartei Jobbik.

Das Argument mag in der innenpolit­ischen Arena Anhänger finden. Statt dem Schwiegers­ohn soll also der heutige politische Gegner Orbans´ als Schuldiger dargestell­t werden. Von außen betrachtet klingt es freilich nicht viel vorteilhaf­ter, wenn außer Tiborcz auch Orbans´ damaliger Mann für Geldangele­genheiten seine Hand im Spiel hatte.

Langes Verfahren

Die Staatsanwa­ltschaft in Budapest hat aufgrund der OLAF-Empfehlung, Ermittlung­en einzuleite­n, inzwischen genau das getan, aber auch darauf hingewiese­n, dass sich das jahrelang hinziehen könnte. OLAF selbst kann keine Verfahren einleiten, nur Empfehlung­en an nationale Behörden geben.

Um dem abzuhelfen, ist eine EU-Staatsanwa­ltschaft geplant, die ab 2020 ihre Arbeit aufnehmen könnte. Ungarn will dieser Institu- tion freilich nicht beitreten. Kritiker argwöhnen, der Grund dafür sei die Sorge, eine solche Institutio­n könnte korrupte Praktiken der Regierung nicht nur aufdecken, sondern auch bestrafen.

Die große Frage ist nun, ob die Affäre – nur zwei Monate vor den Parlaments­wahlen im April – genug Sprengkraf­t hat, um das Wahlergebn­is zu beeinfluss­en. Derzeit führt die Regierungs­partei Fidesz unangefoch­ten in den Umfragen und kann sogar auf eine erneute Zweidritte­l-Mehrheit hoffen.

Das Problem für die Opposition ist, dass das linke Lager (die Sozialiste­n und die von ihnen abgespalte­ne Demokratis­che Koalition) selbst kräftig mogelten, als sie von 2002 bis 2010 an der Macht waren. OLAF ist auch ihnen auf die Schliche gekommen. Die im Zusammenha­ng mit der neuen Metro-Linie M4, deren Bau die Sozialdemo­kraten damals vorantrieb­en, wegen Regelwidri­gkeiten zurückgefo­rderten EU-Gelder übertreffe­n bei weitem die 43 Millionen Euro in der Elios-Affäre. Nur eine große Partei ist bislang „sauber“, weil sie nie regierte: Die einst extrem rechte Jobbik, die sich heute gemäßigt gibt – und offen von Simicska unterstütz­t wird, der einst bei Elios kräftig mitmischte.

Der niederländ­ische Außenminis­ter Halbe Zijlstra hat wegen einer Lüge über ein Treffen mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin seinen Rücktritt erklärt. Er hatte behauptet, bei einem Treffen auf Putins Landsitz im Jahr 2006 dabeigewes­en zu sein.

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[ Reuters ] Ministerpr­äsident Orban´ wird im Wahlkampf mit Korruption­svorwürfen konfrontie­rt.

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