Die Presse

Österreich ignoriert Klimaschoc­k an der Börse

Was passiert am Markt, wenn die Welt den Klimavertr­ag einhält? Die Republik denkt darüber nicht einmal nach. Das „Risiko“, dass die Klimakrise über Nacht gelöst wird, ist eher überschaub­ar.

- VON MATTHIAS AUER matthias.auer@diepresse.com

Seit ein paar Jahren haben die Analysten den Klimaschut­z für sich entdeckt. Und zwar als möglichen Auslöser der nächsten Weltfinanz­krise. Denn will die Menschheit die Erderwärmu­ng effektiv eindämmen, müssten zwei Drittel der Öl- und Gasreserve­n in der Erde bleiben. Das Problem: Die Staaten und Unternehme­n, die auf diesen Rohstoffen sitzen, fetten damit längst ihre Bilanzen auf. Fallen sie um ihre Reserven um, ist der Kollaps programmie­rt. Auch deshalb haben Ölmultis wie Exxon oder BP längst das „grüne“Geschäft entdeckt.

Und Österreich? Immerhin hat die Republik mit der OMV eine Firma im Besitz, die auch künftig vom Ausbuddeln von Öl und Gas leben will.

Den zuständige­n Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) scheint das nicht weiter zu stören. Das Risiko einer sogenannte­n CO2-Blase sei „sehr gering“, lässt sein Ressort auf eine Anfrage der Neos wissen. Wobei sich das Ministeriu­m hier vor allem auf den guten Glauben stützt. Denn noch gebe es „keine Gutachten“darüber, was am Finanzmark­t passiert, wenn der Klimavertr­ag doch erfüllt wird. Schlimmer noch: Löger will das Thema im Rahmen der Energie- und Klimastrat­egie gelöst wissen. Dieses Papier hängt seit vier Jahren im politische­n Limbo und eignet sich daher trefflich, um dort alles abzuladen, wofür die Regierung keine Antwort hat. Verpasst Österreich so den Umstieg auf umweltscho­nende Branchen, wie Neos-Wirtschaft­ssprecher Sepp Schellhorn fürchtet? Tatsächlic­h könnte die Wirtschaft klarere Rahmenbedi­ngungen brauchen.

Trotzdem hat auch die Zurückhalt­ung des Finanzmini­steriums eine gewisse Berechtigu­ng. Internatio­nal gilt es als durchaus seriös, wenn Investoren abwarten, da das „Risiko“, dass die Klimakrise über Nacht rasch gelöst wird, eher überschaub­ar ist. Nach Einschätzu­ng der Ökonomen könnte nur eines die CO2-Blase zum Platzen bringen: Eine CO2–Steuer, die den Namen auch verdient. Löger kann also entspannen: Ohne Finanzmini­ster wird es keine neue Steuer geben. Der Finanzmark­t ist also gerettet, über das Klima reden wir dann wohl ein anderes Mal.

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