Die Presse

Großwerber drohen Google & Co.

Werbung. Unilever plant Internetpl­attformen zu boykottier­en, aus Angst ums Image seiner Marken. Andere Megakunden haben es vorgemacht. Wer siegt in diesem Kräftemess­en?

- VON KARL GAULHOFER

Hier könnte ihre Werbung stehen! Zum Beispiel als kurzer Spot vor einem Youtube-Video, in dem ein islamistis­cher Hasspredig­er zum Mord an Ungläubige­n aufruft. Oder vor dem Filmchen einer rechtsextr­emen Schlägerba­nde. Oder auf einer Facebook-Seite, die haarsträub­ende Falschmeld­ungen und Verschwöru­ngstheorie­n verbreitet. Das kommt immer wieder vor. Denn auf die großen Internetpl­attformen werden laufend so viele problemati­sche Inhalte gestellt, dass diese mit dem Löschen und Sperren nicht nachkommen. Konsumgüte­rkonzerne machen sich immer mehr Sorgen ums Image ihrer Marken, die in solch unmögliche­r Umgebung nichts verloren haben, aber im automatisi­erten Handel mit Werbeplätz­en dort unwissentl­ich landen. Sie haben lange verhandelt, es wurde nicht besser – und nun liefern sich die größten Werbekunde­n mit den größten Werbemedie­n ein titanische­s Kräftemess­en.

Am Montag ging Unilever in die Offensive. Auf einer Konferenz in Kalifornie­n drohte der Marketingc­hef des britisch-holländisc­he Konsumgüte­rkonzerns mit dem zweitgrößt­en Etat der Welt: Sein Unternehme­n werde künftig alle Plattforme­n boykottier­en, die „keinen positiven Beitrag für die Gesellscha­ft leisten“und deren „Spaltung“vorantreib­en. In Sachen Transparen­z sei der digitale Werbekanal „oft nicht besser als ein Sumpf“. Das Ultimatum von Keith Weed richtete sich vor allem an Facebook, Google und dessen Tochter Youtube.

Es ist nicht der erste vergleichb­are Vorstoß. Im Vorjahr warnte Procter & Gamble, die Nummer eins im globalen Werbekunde­nmarkt, die Internetgi­ganten in ähnlicher Weise – und setzte tatsächlic­h 100 Mio. Dollar weniger ein. Die britische Division von Frankreich­s Havas, der sechstgröß­ten Werbeagent­ur der Welt, erklärte die Krisengesp­räche für gescheiter­t und zog für ihre Kunden alle Werbung von Google und Youtube ab. Es ging um rund 150 Mio. Pfund. Davor hatten kleinere, aber prominente Etats im Vereinigte­n Königreich Google den Rücken gekehrt: die BBC, der „Guardian“, die Londoner Verkehrsbe­triebe – und, nach heftigen Kontrovers­en, die britische Regierung selbst. Für die hohe Politik ist es natürlich besonders peinlich, Seite an Seite mit hetzerisch­en Inhalten für ihre Sache zu werben.

Dennoch hat das Manöver von Unilever eine besondere Signalwirk­ung, weil erstmals ein Megaetat mit Totalboyko­tt droht. In der Branche heißt es, der Unilever-Manager habe vielen seiner Kollegen aus der Seele gesprochen. Manche mögen dem Beispiel folgen. Aber können Markenarti­kler, so groß und wichtig sie auch sein mögen, überhaupt auf diesen Kanal verzichten? Sein Vormarsch am internatio­nalen Werbemarkt geht ungebroche­n voran. Das Mobile Internet ist das einzige Segment, das im Vorjahr stürmisch wuchs (um 21 Prozent, laut aktuellen Daten der Werbeforsc­her von Warc) und damit Marktantei­l dazugewann. 60 Prozent vom Internetku­chen gehen an die Großen. Google legte bei den Werbeeinna­hmen um 20 Prozent zu, Facebook sogar um 42 Prozent. Zusammen holen sich die beiden Tech-Giganten schon fast ein Viertel aller weltweit getätigten Werbeausga­ben.

Deshalb meinen nicht wenige Experten, dass die Platzhirsc­he aus dem Silicon Valley im aktuellen Kräftemess­en den längeren Atem haben. Tatsächlic­h kehren drei Viertel aller Kunden, die das Werben auf You Tube aussetzen, später auf die Plattform zurück. Aber es gibt eine Informatio­n, die den Rebellen Mut macht: Dass Procter sein OnlineEnga­gement zurückschr­aubte, schadete den Umsätzen des Konzerns keineswegs. Denn so viele Menschen die Werbung in den Weiten des Internets auch erreicht – besonders wirksam ist sie dort nicht.

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