„Wir schießen uns aus dem Rennen“
Forschung. Was muss Österreich tun, um bei der Forschung zur Elitegruppe aufzurücken? Eine „Presse“-Podiumsdiskussion lieferte Ideen von klugen Köpfen, die im Land geblieben sind.
Ein Raunen geht durch das Land: Der Molekularbiologe Josef Penninger, eines unserer Aushängeschilder in Sachen Spitzenforschung, verlässt Österreich in Richtung Kanada. Schaffen wir es nicht, die klügsten Köpfe in der Heimat zu halten? Und wie ist es um den Nachwuchs bestellt? Nach einer Umfrage glauben zwei Drittel der Österreicher nicht, dass Forschung Jobs schaffen kann – eine Einstellung, mit der wir Schlusslicht in Europa sind. Oder wird da nur schwarz gemalt? Um solche gewichtigen Fragen ging es am Montagabend auf einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion, zu der die „Presse“und die Voestalpine nach Linz geladen haben.
„Österreich ist ein Nettoexporteur“, konstatiert Henrietta Egerth, Chefin der Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Klingt eigentlich gut. Aber hier geht es darum, dass mehr Forscher Österreich den Rücken kehren als zu uns kommen, und das sei „bedenklich“. Der Genetiker Markus Hengstschläger liefert die Fakten: In Sachen Innovation schaffen wir es knapp nicht in die Spitzengruppe, bei der Attraktivität des Forschungsstandortes nur ins Mittelfeld. Es hake an monetären Anreizen, vor allem bei den Einstiegsgehältern. Voest-Chef Wolfgang Eder sieht die „viel höhere steuerliche Belastung als in fast allen europäischen Ländern“als Problem. Wenn nichts passiere, „schießen wir uns selbst aus dem Rennen um die Spitzenplätze“.
Aber punkten wir nicht mit der tollen Lebensqualität? Damit kann man junge Forscher nicht locken, muss Hengstschläger enttäuschen. Entscheidend sei, „wo sich was abspielt, wo man die Autonomie hat, seine Ideen einzubringen“. Und wie man zu Geld kommt, um diese Ideen zu vermarkten: Zumindest in 30 bis 40 Prozent der Anfragen sollten Drittmittel auch genehmigt werden, sonst wird es „mühsam“.
Was die Talente aus dem Ausland anzieht, ist vor allem die Re- putation der Forschungseinrichtung, erklärt Meinhard Lukas, Rektor der Uni Linz. Die TU München habe es „super gemacht“, sich auf Themen fokussiert und damit aus dem Mittelfeld nahe an die ETH Zürich heranbewegt. Die Hintergründe dazu liefert Hans Dieter Pötsch, Aufsichtsratsvorsitzender bei VW. Die deutsche Politik, berichtet der heimische Managerexport, habe sich getraut, zehn „Eliteunis“zu definieren. Die Münchner Hochschule war als „Aufsteiger“einer der „Gewinner dieser Qualitätsoffensive“. Pötsch fragt sich: Wenn nicht genug Geld da ist, um alle Unis „in der Breite“zu fördern – sollte da nicht auch Österreich mehr fokussieren?
„Geht das?“, fragt Moderator und Presse-Chefredakteur Rainer Nowak. Denn das könnte ja bei der Auswahl heißen: „Wien ja, Graz – schon schwierig, Klagenfurt – sehr lustig“. Aber auch Voest-Chef Eder betont: „Fokussierung, Schaffen von Alleinstellungsmerkmalen und eine kompetitive Mittelvergabe – das sind die drei wichtigsten Dinge.“Hengstschläger warnt jedoch davor, sich bei den Schwerpunkten auf „modische Themen“zu verlassen. Zu seiner Studentenzeit war das die Atomtechnologie, die zumindest hierzulande längst in Verruf geraten ist.
Auch Orchideenfächer dürfen keine „Verlierer“sein, denn sie könnten „die Antwort auf Fragen von morgen liefern“. Es brauche auch „ungerichtete“, nicht unmittelbar verwertbare Bildung, die oft eine „Zukunft generiert, die wir noch gar nicht kennen“. Auch die strenge Unterscheidung zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung habe ausgedient.
Wie aber lässt sich in der Bevölkerung mehr Begeisterung für Forschung wecken? Hengstschläger will „Talentscouts“in die Schulen schicken, um die „künftigen Nobelpreisträger“zu finden. Egerth liefert eine plausible Erklärung für das Defizit an Emotion: „Weil wir meist Zulieferer sind“, ob für Autos oder Flugzeuge, ist das fertige Produkt „nicht so fassbar“– man sieht nicht, „was bei dem Ganzen rauskommt“. Oft geht es auch nur um „immaterielle“Leistungen. Medien können das nur „schlecht vermitteln“: „Da sieht man dann Bilder von weißen Kitteln im Labor“. Und die Leute in den Kitteln sind „meist nicht jung und keine Frauen“. Was Rainer Nowak zurechtrücken muss: „Aber doch nicht bei uns in der ,Presse‘“. (gau)