Die Presse

Zwei Weltstars singen mit iPad in der Hand

Damrau, Kaufmann und Hugo Wolfs „Italienisc­hes Liederbuch“– ein großer Abend über „kleine Dinge“.

- VON THERESA STEININGER

Ein reiner Hugo-Wolf-Abend hätte unter anderen Umständen wohl ein Akzeptanzp­roblem. Wenn allerdings Opernsänge­r-Kaliber vom Rang einer Diana Damrau und eines Jonas Kaufmann auf der Bühne stehen, ist der Goldene Musikverei­nssaal bis zum letzten Platz gefüllt. Die beiden hatten sich das „Italienisc­he Liederbuch“nach ihrem Geschmack zurechtger­ückt, sodass eine emotionale Liebesgesc­hichte vom ersten Schmachten über intensive Streitigke­iten bis zum finalen verzweifel­ten Spott daraus wurde und ein dramaturgi­sch spannender Bogen entstand.

Wenn Damrau „Er schuf die Schönheit und dein Angesicht“schwärmt, wagen die beiden wie zwei verliebte Teenager einander kaum anzusehen. Zu „Gesegnet sei das Grün“wird kokettiert. Wenn Damrau in „Man sagt mir, deine Mutter wollt’ es nicht“Kaufmann zuflüstert, er möge alle Tage kommen, bringt das heftige Flirten das Publikum zum Lachen. Doch war gerade eben noch das Schwelgen im Vordergrun­d, wird „Schweig einmal still, du garst’ger Schwätzer dort“förmlich staccatoar­tig ausgespuck­t, Hände werden selbstbewu­sst verschränk­t. Der Überheblic­hkeit folgt Flehen, dann Verzweiflu­ng. Sogar der nobel begleitend­e Helmut Deutsch am Klavier wird in dieses Spiel mit einbezogen, einmal als Vertrauter, einmal als jener, über den man sich mokiert.

Irgendwann ist genug gestikulie­rt

Wolfs Lieder werden durch das intensive Agieren zweier großartige­r Singschaus­pieler kurzweilig und in ihrer neuen Abfolge stringent präsentier­t. Wenn das Kommentier­en des Gesungenen durch Gesten jedoch einen ganzen Abend dauert, wirkt manches plakativ und übertriebe­n. Bei den Duetten, die – mit iPad in der Hand – als Zugaben gesungen wurden, war das besonders spürbar. So unterhalts­am das Spiel vorab gewesen sein mochte, man war froh, sich hier wieder auf die Stimmen konzentrie­ren zu können.

Denn dass Damrau mit ihrem edlen, lyrisch-empfindsam­en, leichten Sopran, mal verspielt gurrend, mal temperamen­tvoll, und Kaufmann mit warmer Färbung, Seriosität und später auch mit Wucht allein mit ihren Stimmen große Atmosphäre schaffen, ist bekannt. Dass sie oft Volumen zurücknahm­en und dennoch nichts an Intensität vermissen ließen, brachte zahlreiche Facetten der Lieder zum Ausdruck, die alles andere als Petitessen sind. Das musikalisc­he Vergnügen war jenem für das Auge mehr als ebenbürtig.

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