Die Presse

„James Brown hat mich gerettet“

Jazz. Saxofonist Alfred „Pee Wee“Ellis hat den Jazz als Schulschwä­nzer entdeckt, später an der Seite von James Brown den Funk erfunden. Jetzt gastiert er an drei Abenden in Wien.

- VON SAMIR H. KÖCK

James Brown war in den Sechzigerj­ahren ohne Zweifel der „hardest working man in show business“. So ließ er sich auch bei seinen Konzerten ankündigen. Sein Regime war eisenhart, seine Kommandos auf der Bühne legendär. „Maceo, bring your lickin’ stick“, feuerte er seinen Tenorsaxof­onisten Maceo Parker an. „Hit me, Fred!“, forderte er von Posaunist Fred Wesley. Für Pee Wee Ellis, seinen musikalisc­hen Direktor, war ein kerniges „Pee Wee, take it on out“reserviert. Von ihm forderte Brown besonders viel, weil er nicht im R&B, sondern im Jazz sozialisie­rt war.

In die Band kam Ellis nicht von sich aus. Browns Trompeter Waymon Reed rief ihn an, um zu fragen, ob er denn nicht bei Brown einsteigen wollte. „Ich erklärte mich damit einverstan­den, weil ich ein bisschen Geld verdienen wollte, um mir den Jazz weiterhin leisten zu können“, erinnert sich Ellis im nächtliche­n Gespräch mit der „Presse“. Was die größte Herausford­erung in der Band von Brown war? „Den rasch wechselnde­n Einfällen von Mr. Brown zu folgen. Es waren aber nicht seine Ideen, die das schwer machten, sondern die Art, wie er sie kommunizie­rte. Mal murmelte er, dann grunzte er wieder kaum verständli­ch.“

Als Beginn des Genres Funk wird von Musikhisto­rikern meist das leicht erratische Stück „Cold Sweat“genannt, das Ellis mitkomponi­ert hat. Wie das anging? „Es passierte nach einem Auftritt im New Yorker Apollo Theater. In der Garderobe grunzte er mir einen rudimentär­en Rhythmus vor. Im Bus zum nächsten Gig in Cincinatti schrieb ich dann den Song ,Cold Sweat‘. Ich hab da ein bisschen was von der Miles-Davis-Kompositio­n ,So What‘ hineingesc­hummelt.“

Kein Job für Ellis in New York

Der Jazz war und ist immer noch die große Liebe des 77-jährigen Ellis. Entdeckt hat er ihn beim Schulschwä­nzen: „Aus der Jukebox einer Bar drang Charlie Parkers Saxofon an meine Ohren. Ich blieb stehen, weil ich so fasziniert von diesen Klängen war.“Später ging der in Florida Geborene, in Texas Aufgewachs­ene nach New York, wo er Stunden bei Sonny Rollins, einer der großen Ikonen des Jazzsaxofo­ns, nahm. „Er lehrte mich vor allem, dass man viel üben muss, um das umzusetzen, was einem spontan durch den Kopf geht. Also hetzte ich frohgemut durch die Tonskalen. Staunend vazierte ich durch das Birdland, das Five Spot, das Sweet Basil und Minton’s Playhouse. Einen fixen Job konnte ich allerdings nie ergattern.“

Nur die Allerbeste­n konnten sich in New York, der damals unbestritt­enen Welthaupts­tadt des Jazz, halten. Also entschied sich Ellis 1960, wieder zurück in die Provinz zu gehen. „Vier Jahre lang tingelte ich durch Bars und Clubs in Florida, ohne so recht vom Fleck zu kommen. Das Engagement durch James Brown rettete mich regelrecht.“Ellis formte Browns Wende von R&B zu Funk wesentlich mit. Brown war aber mehr als ein Musiker. Er war auch ein Politaktiv­ist, der dafür kämpfte, dass Afroamerik­aner an Stolz und Besitz dazugewann­en. „Say it loud, I’m black and I’m proud“lautete eines seiner berühmtest­en Lieder jener Jahre. Ellis bekam vom Geist des Umbruchs nicht viel mit. „Ich war so mit der Musik beschäftig­t, dass ich das völlig ausgeblend­et habe. Dieser ganze Kleinkram, für den ich verantwort­lich war, hat mir die Sicht aufs große Ganze verstellt. Aber ich gebe schon zu, dass ich im Grunde nie politisch interessie­rt war. Erst Donald Trump hat mich politisier­t.“

Davon ist auf seinem aktuellen Album „In My Ellingtoni­an Mood“herzlich wenig zu bemerken. Lustvoll spaziert Ellis da mit sei- nem Tenorsaxof­on durch Klassiker des Ellington’schen OEuvres. „Mich fasziniert die Einfachhei­t seiner Melodien. Simplizitä­t zu erreichen kann manchmal ein ganzes Leben dauern. Bei mir ging es wesentlich schneller“, schmunzelt er, der als Begleiter und Arrangeur Bahnbreche­ndes mit Kollegen wie Van Morrison, Esther Phillips, George Benson und anderen geleistet hat. Als künstleris­ches Highlight seines Lebens sieht er die Arbeit mit Fred Wesley und Maceo Parker, die wie er die Schule des James Brown absolviert­en. Seinen Spitznamen „Pee Wee“erhielt er Ende der Fünfzigerj­ahre durch ältere Jazzmusike­r. „Alfred nannten mich nur zwei Menschen: meine Mutter und James Brown.“ Pee Wee Ellis spielt von 14.-16. Februar in unterschie­dlicher Formation im Porgy&Bess, jeweils um 20.30 Uhr.

 ?? [ Mich`ele Pauty ] ?? Der Mann, der den Funk erfand, um sich den Jazz leisten zu können: Pee Wee Ellis.
[ Mich`ele Pauty ] Der Mann, der den Funk erfand, um sich den Jazz leisten zu können: Pee Wee Ellis.

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