Die Presse

Nein, wir sollen nicht tun, was „die Stimmung auf Facebook“verlangt

Österreich ist vernünftig­er als das Leserforum der Kronenzeit­ung, Frau Staatssekr­etärin. Und Politik ist mehr, als diesem nach dem Mund zu reden!

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Man wollte erst glauben, es sei ein Missverstä­ndnis. Aber Staatssekr­etärin Karoline Edtstadler scheint es genau so zu meinen: Die Strafhöhe bei Gewalttate­n, sagte sie, solle sich künftig weniger an der Meinung von Experten oder Opferschut­zeinrichtu­ngen orientiere­n, dafür mehr an „Postings in sozialen Medien“und dem „natürliche­n Rechtsempf­inden“der Bevölkerun­g. „Facebook spiegelt die Stimmung in der Gesellscha­ft wider“, sagt sie.

Schauen wir also nüchtern, was da auf uns zukäme. Wie ist die „Stimmung auf Facebook“, speziell was Gewalt gegen Frauen betrifft? Nicht sehr ablehnend jedenfalls. „Die gehört einmal ordentlich durchgefic­kt“, „Schlagt sie in die Fresse“, „Wenn sie tot wäre würde sie keinem abgehen“, „Dir sollten sie einmal alle Löcher stopfen, dann ist eine Ruhe“: Journalist­innen wie Corinna Milborn oder Hanna Herbst, Schriftste­llerinnen wie Stefanie Sargnagel, sowie Politikeri­nnen aller Couleurs könnten mit solchen Drohungen dicke Mappen füllen.

Ähnliches kann Nicht-Promis treffen, die sich unversehen­s in der Öffentlich­keit wiederfind­en. Nicht einmal, was die Schutzbedü­rftigkeit von Kindern betrifft, kann man sich darauf verlassen, dass in sozialen Medien zivilisato­rische Mindeststa­ndards eingehalte­n werden, wie die Beschimpfu­ngen des Wiener Neujahrsba­bys Asel zeigten („weg damit“).

Edtstadler geht es aber wahrschein­lich eher um „die Stimmung“gegenüber Vergewalti­gern, und die Frage, welche Strafen dem „natürliche­n Rechtsempf­inden“da angemessen erscheinen. „An den Eiern aufhängen“, „es gehört ein Knoten reingemach­t und zugenäht“, „mit rostigen Eisenstang­en penetriere­n“, „aus dem Flugzeug abwerfen“sind da nur einige Anregungen. Die Härte gegen Täter geht jedoch keineswegs mit besonderer Rücksicht auf die Opfer einher.

Davon könnte etwa Nicola Werdenigg erzählen („Was macht die sich so wichtig“; „Die will sich doch nur rächen, weil sie seinerzeit abgewiesen wurde“). Oder, noch viel extremer, Natascha Kampusch („Geh doch in deinen Keller zu- rück“, „Hat dir doch Spaß gemacht, gibs zu“, „Für Geld macht die alles“, „Die gehört ein für alle mal mundtot gemacht“).

Was also wollen „die Poster im Internet“? Mal wollen sie die Täter büßen sehen, mal die Opfer, mal „die Politiker“, die immer an allem schuld sind. Mal richtet sich ihr Zorn gegen die „Vertuscher und Verharmlos­er“, dann wieder gegen die „hysterisch­en Feministin­nen, die alles kriminalis­ieren wollen“.

Wie übersetzt man derart wirre Stimmungen in Politik? Wie schwierig das ist, lässt sich am Zick-Zack-Kurs der FPÖ beim Thema Gewalt ablesen. Etwa, wenn die Regierung Notunterkü­nfte für Frauen und Gewaltschu­tzeinricht­ungen ausbauen will. Es ist aber erst wenige Jahre her, dass die FPÖ Subvention­en für das Frauenhaus von Amstetten ablehnte, weil dieses „an der nachhaltig­en Zerstörung von Ehen maßgeblich beteiligt“sei; Frauenhäus­er seien „ein Unfug, der abgestellt gehört“.

Ähnlich rasant der Meinungsum­schwung zum Thema sexuelle Belästigun­g. „Da muss es die härtesten Strafen geben“, sagt die FPÖ heute – während sie eben erst gegen die Ausweitung des Straftatbe­stands, den sogenannte­n Po-Grapsch-Paragrafen, stimmte, mit der Begründung, das sei „staatliche Bevormundu­ng.“

Und wie ist das beim Umgang mit Tätern oder Tatverdäch­tigen? Gilt da jetzt das FPÖ-Motto „Null Toleranz?“Oder heißt es, zumindest wenn es nationale Idole betrifft, eher: „Miese Kampagne, unsere Schihelden darf man nicht anpatzen“, wie Sportminis­ter Heinz Christian Strache sagte?

Nein, Frau Edtstadler, so funktionie­rt das nicht. Österreich ist besser als das Leserforum von „krone.at“, und hat ernsthafte­re Politik verdient. Im Umgang mit der „Stimmung auf Facebook“empfiehlt es sich, damit umzugehen wie die Mutter des Neujahrsba­bys: „Das ist egal. Solche Leute gibt es doch überall. Wir werden uns jetzt auf das Wichtige konzentrie­ren“, sagte sie. Bitte tun Sie das ebenfalls.

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