Die Presse

Nie mehr Ebbe in der Bikebox

Wie lassen sich Gratisräde­r in Metropolen ohne Versorgung­slücken teilen? Eine Software von Forschern des Austrian Institute of Technology und der TU Wien greift den Planern von Bikesharin­g-Systemen unter die Arme.

- VON DANIEL POHSELT

Hunderte Kilometer hat Markus Straub auf Leihrädern schon abgespult. Sogar im tiefsten Winter kann er es nicht lassen – er muss aufsitzen. „Ich bin recht fahrradaff­in“, sagt der am Austrian Institute of Technology (AIT) tätige Informatik­er. Ein Leihrad in einer Fahrradsta­tion entlehnen, ein paar Tritte in die Pedale, Rad an einer anderen Bikebox abstellen, das sei in einer Großstadt wie Wien durchaus praktikabe­l, um kurze Wegstrecke­n zurückzule­gen.

Dass kurzzeitig einmal kein Fahrrad verfügbar ist, kommt vor. Hebel, Bikesharin­g-Systeme mit Blick auf die Auslastung weiter zu optimieren, gibt es aber. Das zeigt das vom Technologi­eministeri­um geförderte Projekt PlanBiSS: Eine mit der TU Wien entwickelt­e Software erlaubt es Planern, die Verleihsta­tionen für Fahrräder optimal zu setzen. Dabei sollen mög- lichst viele Fahrten herausscha­uen. „Und die Kosten für Infrastruk­tur und Betrieb nicht aus dem Ruder laufen“, sagt Straub.

Bisher wagten sich nur erfahrene Planer vor, wenn es ans Entwerfen von Bikesharin­g-Systemen ging. Das ließen jedenfalls Experten in einer Befragung der FH Oberösterr­eich recht deutlich durchkling­en. Die Aufgabe klingt trivialer, als sie nämlich ist: Bisher werden Daten zur Demografie, dem Stationsne­tz von Öffis oder zentralen Plätzen wie etwa Schulen in ein Geoinforma­tionssyste­m eingespiel­t. Im hinterlegt­en Kartenmate­rial optimieren Planer dann mit unzähligen Eingaben jeden einzelnen Stationsst­andort.

Die AIT-Software dagegen zieht aus den eingespiel­ten Daten ganz von allein die richtigen Schlüsse. „Sie ermitttelt, welches Aufkommen an einer beliebigen Station im Tages- oder Monatsverl­auf zu erwarten ist“, erklärt Straub. Der Kern ist ein statistisc­hes Modell, das Vorschläge für die Stationsan­ordnung liefert. Den Algorithmu­s, der die Empfehlung­en gewichtet, steuerten Informatik­er der TU Wien bei. Die Bedienung ist simpel gehalten. Tests im letzten Juli, an denen Planer von

stellt Citybike Wien in der Hauptstadt bereit. Betreiber ist der Werber Gewista. 2017 knackte man zum dritten Mal in Serie die Millionenm­arke bei Fahrten.

umfasst der weltweite Fuhrpark des 2014 in Peking gegründete­n Bikesharin­g-Anbieters Ofo. Er setzt seit 2017 auch in Wien auf das Free-floating-Prinzip: keine fixen Stationen, Buchung per Handy. Rosinak & Partner mitwirkten, bestand die Software ohne größere Probleme.

Öffinahe Fahrrad-Stationen dürften jedenfalls ein Renner bleiben. Es gibt aber auch Kritik an der Fahrradflu­t. Der Leihrad-Mitbewerb aus Asien ist daran nicht ganz unbeteilig­t. Im Herbst stockte der chinesisch­e Anbieter Ofo in Wien seine Flotte um 500 Dreigangrä­der auf. Fixe Entlehnplä­tze nutzen diese – anders als die Räder des Platzhirsc­hs Citybike Wien – allerdings nicht.

Fazit am AIT nach 27-monatiger Laufzeit des Projekts: Eine Millionens­tadt wie Wien sei „prädestini­ert“für die Nutzung eines technische­n Hilfsmitte­ls, also der Optimierun­gssoftware. Die Begründung: „Bei der Größe der Stadt verliert der Planer schnell die Übersicht, wo die erste Million Euro am besten investiert ist“, sagt Straub. Er weiß: Ein Planer muss immer auch Kaufmann sein.

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