Die Presse

Orb´an wettert gegen islamische Migration

Ungarn. Migration, George Soros, die EU und ihr „Blabla“: Ministerpr­äsident Viktor Orb´an prügelt zu Beginn seines Wahlkampfs auf Feindbilde­r ein. Er spricht auch aus, wohin das führt: weg vom Westen. Doch das nimmt er in Kauf.

- Von unserem Korrespond­enten BORIS KALNOKY´

Ungarns Regierungs­chef, Viktor Orban,´ hat in seiner Rede zur Lage der Nation finstere Szenarien für Europa entworfen. „Dunkle Wolken liegen wegen der Einwanderu­ng über Europa“, sagte er vor Anhängern in Budapest. „Nationen werden aufhören zu existieren, der Westen wird fallen, während Europa nicht einmal bemerken wird, dass es überrannt wird.“Das Christentu­m sei Europas letzte Hoffnung. Orban´ warnte davor, dass europäisch­e Großstädte schon bald eine überwiegen­d muslimisch­e Bevölkerun­g haben könnten. Der Regierungs­chef schoss sich auch auf Nichtregie­rungsorgan­isationen ein, die für die Rechte von Flüchtling­en und Asylbewerb­ern eintreten: „Wenn sie mit ihren gefährlich­en Tätigkeite­n nicht aufhören, werden wir sie einfach aus dem Land weisen, wie mächtig oder reich sie auch immer sein mögen.“

In Ungarn hat der Wahlkampf für die Parlaments­wahlen am 8. April begonnen. Ministerpr­äsident Viktor Orban´ eröffnete die Schlacht am Sonntag mit seiner Rede zur Lage der Nation. Sie bestand aus einem routiniert­en Einprügeln auf Feindbilde­r, die er und seine Kommunikat­ionsmaschi­nerie zuvor selbst aufgebaut hatten. In den Hauptrolle­n der Bösewichte: Migranten, US-Milliardär George Soros, die EU.

Sie alle sind seit 2015 Gegenstand negativer Anzeigen- und Plakatkamp­agnen der Regierung gewesen, die den Steuerzahl­er viel Geld gekostet und den beauftragt­en Firmen – böse Zungen behaupten, sie stünden in der Gunst der Regierung – viel Geld eingebrach­t haben.

Und so verfügte Orban´ für seine Rede bereits über einen Resonanzkö­rper im öffentlich­en Bewusstsei­n, auf dem sich gut trommeln ließ. „In Ungarn kommt Euro-Blabla in den Abfluss“, tönte er. Ungarn habe „Brüssel den Maulkorb zurückgesc­hickt“.

Der Westen, das ist für Orban´ die Himmelsric­htung, in der die größten Gefahren lauern, in Gestalt „Pariser, Berliner und Brüsseler Politiker“, die „Ungarn zum Einwanderu­ngsland machen möchten“und damit „den Weg freimachen für den Niedergang der christlich­en Kultur und den Raumgewinn des Islam“.

Ungarn bezeichnet­e er als „letzte Bastion des westlichen Christentu­ms“und läutete damit ein neues Leitmotiv ein, eine Umkehrung der Kompassnad­el: Der Osten ist der Westen, der Westen wird zum Osten. Ungarn verkörpere das eigentlich­e Europa, nicht Paris oder Berlin. Orban´ prophezeit­e eine Spaltung Europas in Ost (der neue Westen) und West (der neue, seiner Ansicht nach bald islamisier­te Osten).

„Stoppt Soros“-Gesetzespa­ket

An dieser Stelle baute er sein heftig umstritten­es „Stoppt Soros“-Gesetzespa­ket in die Rede ein. Migration, EU und die Lobby-Bemühungen des US-Milliardär­s George Soros zugunsten einer „offenen“Migrations­politik verdichtet Orban´ in seinem Narrativ zu einem „SorosPlan“. Radikale Maßnahmen sollen nun „Soros stoppen“, also die Arbeit von NGOs blockieren, die „Migration unterstütz­en“. Spenden aus dem Nicht-EU-Ausland (im Klartext: von Soros) sollen mit 25 Prozent besteuert werden. Vor allem aber sollen solche NGOs künftig nur mit Erlaubnis des Innenminis­ters arbeiten dürfen – nach einer Durchleuch­tung durch den Geheimdien­st. Ihnen droht also ein Verbot ihrer Tätigkeite­n. Das betrifft der Definition nach auch das Rote Kreuz (kümmert sich um versprengt­e Flüchtling­skinder, meist in sehr guter, aber diskreter Zusammenar­beit mit den ungarische­n Behörden) oder Amnesty Internatio­nal.

In vielem hatte Orban´ freilich objektiv gesehen auch recht. Ungarns Stimme und Einfluss in der Welt seien überpropor­tional gewachsen, sagte er, gemessen an der geringen Größe des Landes. In der Tat: Die Debatten über Migration und die Zukunft Europas werden heute oft um die Orientieru­ngspunkte „Merkel“, „Macron“oder eben „Orban“´ (und neuerdings „Kurz“) geführt.

Wirtschaft­liche Erfolge zählte er auf, und auch wenn Kritiker bezweifeln dürften, dass das alles sein Verdienst sei, so haben die Ungarn doch mehr Geld und mehr Arbeitsplä­tze als bei Orbans´ Amtsantrit­t vor acht Jahren. Entspreche­nd führt die Regierungs­partei Fidesz in den Umfragen so deutlich, dass die einzige Frage eigentlich ist, ob Orban´ die Zweidritte­lmehrheit oder „nur“die absolute Mehrheit schafft.

Die zersplitte­rte, kraft- und ideenlose Opposition leidet. Die Nachfolgep­artei der Kommuniste­n, die MSZP, hat sich in ihrer Ratlosigke­it einen Spitzenkan­didaten von außerhalb der Partei gesucht: Gergely Karacsony,´ der persönlich populäre Chef einer liberalen Splitterpa­rtei, die aber selbst kaum einen Wähler interessie­rt. Weil das so ist, bedeutet das Bündnis wahrschein­lich keinen Stimmenzuw­achs für die MSZP, dafür aber eine doppelt hohe Hürde, um ins Parlament zu kommen: zehn statt fünf Prozent, weil es um zwei Parteien geht, nicht nur eine. Im Extremfall kann dies das Ende bedeuten für die MSZP, die derzeit bei elf bis 13 Prozent gemessen wird. Die einst extrem rechte Jobbik, die sich heute gemäßigt gibt, stagniert bei unter 20 Prozent. Einzige Hoffnung der Opposition: Wenn ihre diversen Parteien in den 106 Direktwahl­kreisen zumindest teilweise kooperiere­n, können sie die Zweidritte­lmehrheit für Fidesz vielleicht verhindern.

Asselborn attackiert Orban´

Orbans´ Rede sorgte indes für heftigen Widerspruc­h von Luxemburgs Außenminis­ter, Jean Asselborn. Der für seine scharfe Kritik an der Regierung in Budapest bekannte Außenminis­ter nannte Orban´ in einem Interview einen „Diktator“und forderte, Ungarn die Stimmrecht­e in der EU zu entziehen: „Die EU muss aufstehen und sich empören“, so Asselborn.

In Ungarn kommt Euro-Blabla in den Abfluss. Ungarns Premier, Viktor Orban´

 ?? [ Reuters] ?? Ungarns Premier will bei den Wahlen am 8. April die Zweidritte­l-Parlaments­mehrheit seiner Fidesz-Partei verteidige­n.
[ Reuters] Ungarns Premier will bei den Wahlen am 8. April die Zweidritte­l-Parlaments­mehrheit seiner Fidesz-Partei verteidige­n.

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