Kein Curling in Österreich
Curling. Noch nie hat Österreich am olympischen Turnier teilgenommen. Es fehlt an Masse, Klasse und vor allem an Infrastruktur. Der Blick ins Nachbarland Schweiz ist ernüchternd.
Weder Masse noch Klasse: Warum es hierzulande keine Curler, und damit keine Olympiateilnehmer, gibt.
Zum insgesamt siebenten Mal in der OlympiaGeschichte scheint Curling in Pyeongchang im Wettkampfprogramm auf. Schon frühmorgens wird hier, in Südkorea, geschrubbt und geschrien, 18 Tage lang, ohne Unterbrechung. Seinen olympischen Anfang nahm der Sport 1924, in Chamonix durften allerdings nur Männer mitwirken. Seit den Spielen von Nagano 1998 sind die bis zu 20 Kilogramm schweren Steine auf dem Eis nicht mehr wegzudenken, auch Frauen versuchen nunmehr, das Spielgerät so nahe wie möglich ans Tee, das Zentrum der Zielzone, zu bringen.
Curling erfreut sich alle vier Jahre großer Beliebtheit, in den Hallen genauso wie vor den Fernsehgeräten. 2018 wurde erstmals auch im Mixed-Bewerb um Medaillen gespielt, die positive Dopingprobe des russischen Bronzemedaillengewinners Alexander Kruschelnizki irritierte und verwunderte. Doping und Curling, das passte bislang doch eigentlich nicht zusammen.
13 Nationen sind im Gangneung Curling Centre vertreten, und die Frage ist erlaubt, warum ein Wintersportland wie Österreich im Zeichen der fünf Ringe traditionell fehlt.
Wenn die Basis fehlt
Der Deutsche Ulrich Kapp ist seit 2012 Trainer der österreichischen Nationalmannschaft und ein Mann mit großer Erfahrung. Kapp wurde dreimal Europameister und zweimal Weltmeister, 1998 und 2006 nahm er an Olympia teil, „nur die Medaille fehlt“. Der 46-Jährige hat in Österreich Strukturen entwickelt, Rot-Weiß-Rot näher an Europas Spitze gebracht. Bei der EM 2016 etwa wurden die Herren Achte, die Qualifikation für die WM 2017 aber verpasste man. In der neu geschaffenen olympischen Mixed-Disziplin sei Österreich für Pyeongchang „auf Tuchfühlung“gewesen, „wir haben angeklopft“. Schlussendlich aber buchten Dänemark und Italien die letzten beiden Tickets.
Es ist ein altes Lied, das Ulrich Kapp im Gespräch mit der „Presse“anstimmt. Und es verwundert keineswegs. Auch dem österreichischen Curlingsport fehlt es an Infrastruktur. „Wir haben gewaltigen Bedarf. Es krankt an der Basis.“Im ganzen Land gibt es zwei reine Curlingbahnen, sie sind in Kitzbühel zu finden. Dort habe man mit dem alpinen und nordischen Angebot ordentliche Konkurrenz, auch das Einzugsgebiet sei „überschaubar“.
Überall anderswo sind Eishallen hierzulande chronisch überbucht, herrscht ein absurdes Gedränge um Eiszeiten: Eiskunstläufer, Eisschnellläufer, Shorttracker, sie alle kennen dieses Problem. Um Nachfrage zu erzeugen, braucht es jedoch zuallererst Angebot. „Und die Nachhaltigkeit scheitert daran, dass wir den Sport nicht wie gewünscht anbieten können. Wie soll ich sonst junge Menschen für Curling begeistern?“
Schweizer Vorbild
In Österreichs Wintersport seien Alpine und Nordische sehr dominant, würden das größte Stück vom Förderkuchen bekommen. Kapp: „Es scheitert wie so oft an der Politik und dem gemeinsamen Willen, etwas zu bewegen. Der Sport braucht immer ein paar Leute, die daran glauben.“Rund 400 aktive Curlingspieler gibt es in Österreich, international konkurrenzfähige lassen sich an zwei Händen abzählen. Es ist wie so oft der Blick über die Grenze, der schmerzt.
In der Schweiz genießt Curling ein enormes Standing. Dort gibt es nicht nur eine, sondern 40 Hallen, allein in Bern stehen acht Bahnen nebeneinander zur Verfügung. 14.000 lizenzierte Spieler erzeugen eine gewaltige Nachfrage, „und in diese Zahl sind die reinen Hobbyspieler gar nicht mit eingerechnet“. Die Schweiz habe in den vergangenen 30 Jahren viel in Curling investiert, zählt deshalb zu den führenden Nationen. In Pyeongchang gewann das Mixed-Team Silber, bei den Männern darf noch mit Edelmetall geliebäugelt werden.
Kapp schwebt die Idee vor, Curling ähnlich wie Bowling unter einem kommerziellen Aspekt zu betreiben. Er glaubt: „So ließe sich eine Halle finanziell auch selbst tragen.“Eine große Chance, den Sport auf eine andere Ebene zu hieven, wären Olympische Spiele im eigenen Land. Kapp sieht eine vertane Chance, „Innsbruck 2026 wäre ein Riesenboost gewesen“. Vielleicht aber steigen Graz und Schladming noch in den Ring. Eine Bewerbung müsste bis Ende März in Form eines „Letter of Intent“an das Internationale Olympische Komitee gemeldet werden. „Der Curlingsport würde enorm profitieren.“