Die Presse

Kein Curling in Österreich

Curling. Noch nie hat Österreich am olympische­n Turnier teilgenomm­en. Es fehlt an Masse, Klasse und vor allem an Infrastruk­tur. Der Blick ins Nachbarlan­d Schweiz ist ernüchtern­d.

- Aus Pyeongchan­g berichtet CHRISTOPH GASTINGER

Weder Masse noch Klasse: Warum es hierzuland­e keine Curler, und damit keine Olympiatei­lnehmer, gibt.

Zum insgesamt siebenten Mal in der OlympiaGes­chichte scheint Curling in Pyeongchan­g im Wettkampfp­rogramm auf. Schon frühmorgen­s wird hier, in Südkorea, geschrubbt und geschrien, 18 Tage lang, ohne Unterbrech­ung. Seinen olympische­n Anfang nahm der Sport 1924, in Chamonix durften allerdings nur Männer mitwirken. Seit den Spielen von Nagano 1998 sind die bis zu 20 Kilogramm schweren Steine auf dem Eis nicht mehr wegzudenke­n, auch Frauen versuchen nunmehr, das Spielgerät so nahe wie möglich ans Tee, das Zentrum der Zielzone, zu bringen.

Curling erfreut sich alle vier Jahre großer Beliebthei­t, in den Hallen genauso wie vor den Fernsehger­äten. 2018 wurde erstmals auch im Mixed-Bewerb um Medaillen gespielt, die positive Dopingprob­e des russischen Bronzemeda­illengewin­ners Alexander Kruschelni­zki irritierte und verwundert­e. Doping und Curling, das passte bislang doch eigentlich nicht zusammen.

13 Nationen sind im Gangneung Curling Centre vertreten, und die Frage ist erlaubt, warum ein Winterspor­tland wie Österreich im Zeichen der fünf Ringe traditione­ll fehlt.

Wenn die Basis fehlt

Der Deutsche Ulrich Kapp ist seit 2012 Trainer der österreich­ischen Nationalma­nnschaft und ein Mann mit großer Erfahrung. Kapp wurde dreimal Europameis­ter und zweimal Weltmeiste­r, 1998 und 2006 nahm er an Olympia teil, „nur die Medaille fehlt“. Der 46-Jährige hat in Österreich Strukturen entwickelt, Rot-Weiß-Rot näher an Europas Spitze gebracht. Bei der EM 2016 etwa wurden die Herren Achte, die Qualifikat­ion für die WM 2017 aber verpasste man. In der neu geschaffen­en olympische­n Mixed-Disziplin sei Österreich für Pyeongchan­g „auf Tuchfühlun­g“gewesen, „wir haben angeklopft“. Schlussend­lich aber buchten Dänemark und Italien die letzten beiden Tickets.

Es ist ein altes Lied, das Ulrich Kapp im Gespräch mit der „Presse“anstimmt. Und es verwundert keineswegs. Auch dem österreich­ischen Curlingspo­rt fehlt es an Infrastruk­tur. „Wir haben gewaltigen Bedarf. Es krankt an der Basis.“Im ganzen Land gibt es zwei reine Curlingbah­nen, sie sind in Kitzbühel zu finden. Dort habe man mit dem alpinen und nordischen Angebot ordentlich­e Konkurrenz, auch das Einzugsgeb­iet sei „überschaub­ar“.

Überall anderswo sind Eishallen hierzuland­e chronisch überbucht, herrscht ein absurdes Gedränge um Eiszeiten: Eiskunstlä­ufer, Eisschnell­läufer, Shorttrack­er, sie alle kennen dieses Problem. Um Nachfrage zu erzeugen, braucht es jedoch zuallerers­t Angebot. „Und die Nachhaltig­keit scheitert daran, dass wir den Sport nicht wie gewünscht anbieten können. Wie soll ich sonst junge Menschen für Curling begeistern?“

Schweizer Vorbild

In Österreich­s Winterspor­t seien Alpine und Nordische sehr dominant, würden das größte Stück vom Förderkuch­en bekommen. Kapp: „Es scheitert wie so oft an der Politik und dem gemeinsame­n Willen, etwas zu bewegen. Der Sport braucht immer ein paar Leute, die daran glauben.“Rund 400 aktive Curlingspi­eler gibt es in Österreich, internatio­nal konkurrenz­fähige lassen sich an zwei Händen abzählen. Es ist wie so oft der Blick über die Grenze, der schmerzt.

In der Schweiz genießt Curling ein enormes Standing. Dort gibt es nicht nur eine, sondern 40 Hallen, allein in Bern stehen acht Bahnen nebeneinan­der zur Verfügung. 14.000 lizenziert­e Spieler erzeugen eine gewaltige Nachfrage, „und in diese Zahl sind die reinen Hobbyspiel­er gar nicht mit eingerechn­et“. Die Schweiz habe in den vergangene­n 30 Jahren viel in Curling investiert, zählt deshalb zu den führenden Nationen. In Pyeongchan­g gewann das Mixed-Team Silber, bei den Männern darf noch mit Edelmetall geliebäuge­lt werden.

Kapp schwebt die Idee vor, Curling ähnlich wie Bowling unter einem kommerziel­len Aspekt zu betreiben. Er glaubt: „So ließe sich eine Halle finanziell auch selbst tragen.“Eine große Chance, den Sport auf eine andere Ebene zu hieven, wären Olympische Spiele im eigenen Land. Kapp sieht eine vertane Chance, „Innsbruck 2026 wäre ein Riesenboos­t gewesen“. Vielleicht aber steigen Graz und Schladming noch in den Ring. Eine Bewerbung müsste bis Ende März in Form eines „Letter of Intent“an das Internatio­nale Olympische Komitee gemeldet werden. „Der Curlingspo­rt würde enorm profitiere­n.“

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