Unterwirft sich Wien dem Pekinger Knebelvertrag?
Wer Ja zum Seidenstraßenprojekt sagt, muss sich Chinas Spielregeln fügen.
Die Bundesregierung will sich klammheimlich einem chinesischen Schiedsgericht unterwerfen. Was bei Ceta und TTIP noch als Gefahr galt, ist bei China offensichtlich anders. Aber warum eigentlich?
Im Regierungsprogramm 2017 bis 2022 findet sich auf Seite 155 – klein und verschämt – die Ankündigung, dass man sich am Projekt „Neue Seidenstraße“beteiligen möchte. Damit verbunden ist wohl die Hoffnung, sich einen Teil der billionenschweren chinesischen Investitionen in über 70 Staaten im Rahmen der „Gürtel und Straße“Initiative sichern zu können.
Die rechtlichen Konsequenzen, die damit verbunden sind, verschweigt man sicherheitshalber. Es wäre auch schwer zu erklären, warum man – zumindest der kleinere Regierungspartner der neuen türkis-blauen Bundesregierung – mit einer strikten Ablehnung von Schiedsgerichten in die Wahl gezogen ist – Stichwort: Ceta und TTIP –, um sich dann umgehend einem neuartigen, chinesischen Schiedsgericht mit Haut und Haaren zu unterwerfen.
Gibt es nämlich entlang von Chinas neuer Seidenstraße künftig Streitigkeiten zwischen den beteiligten Ländern, soll ausschließlich ein „Seidenstraßen-Gericht“mit Sitz in Peking (und Außenstellen in der chinesischen Handelsmetropole Shenzhen bzw. der alten Kaiserstadt Xian) entscheiden.
„Kooperieren und teilen“
Zusätzlich will die chinesische Handelskammer ein eigenes Gremium gründen, das künftige Handelsstreitigkeiten schlichten soll. Der dabei zur Anwendung kommende Grundsatz wird mit „kooperieren und teilen“umschrieben. Nach Rechtsstaatlichkeit klingt das schon einmal nicht.
Um bei der Seidenstraße mitmachen zu können, muss eine sogenannte Verhandlungsvereinbarung ( Memorandum of Understanding) mit China unterzeichnet werden. Das erklärt auch, warum sich etwa die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland bisher strikt geweigert haben, eine solche Vereinbarung zu unterzeichnen. Unterwirft man sich damit doch automatisch auch gleich den Spielregeln der künftigen Schiedsgerichte in Peking.
Verzaubert von großen Zahlen
Dass Österreich hier wieder einmal aus dem westlichen Konsens ausschert, mag verwundern. Aus der EU haben sich dem Pekinger Knebelvertrag bisher jedenfalls Ungarn, Tschechien und Rumänien unterworfen. Dass die Bundesregierung glaubt, in dieser Gruppe besser aufgehoben zu sein als an der Seite Deutschlands und Frankreichs, lässt politische Beobachter nur noch verzweifeln.
Vielleicht ist es auch nur Unkenntnis dessen, was man da unterschreiben soll und will. Verzaubert von der Magie der großen Zahlen – immerhin sollen vier Billionen Dollar auf dem Landweg (Gürtel) bzw. entlang des Wassers (Straße) ausgegeben werden –, starrt man in Wien auf die erhofften Investitionen und die damit verbundenen Arbeitsplätze.
Aber auch hier täte es gut, sich eingehend über den Gang der Dinge zu informieren. Ende Jänner wurde im US-Kongress eine Studie präsentiert, derzufolge bei den bisherigen Bauprojekten entlang der Seidenstraße die jeweiligen Aufträge zu etwa 90 Prozent an chinesischen Unternehmen gingen.
Wer dazu noch die Art und Weise kennt, mit der diese Unternehmen ihre Aufträge ausführen, sollte jedenfalls ernüchtert sein. Mit chinesischem Material und chinesischen Maschinen erledigen chinesische Arbeiter die jeweiligen Aufträge. Wo da die Chance für österreichische Bauunternehmen oder gar für österreichische Arbeitnehmer liegen soll, das wird auch auf Seite 155 der Regierungserklärung nicht ausgeführt.