Die Presse

Unterwirft sich Wien dem Pekinger Knebelvert­rag?

Wer Ja zum Seidenstra­ßenprojekt sagt, muss sich Chinas Spielregel­n fügen.

- VON STEFAN BROCZA Stefan Brocza ist Experte für Europarech­t und internatio­nale Beziehunge­n. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die Bundesregi­erung will sich klammheiml­ich einem chinesisch­en Schiedsger­icht unterwerfe­n. Was bei Ceta und TTIP noch als Gefahr galt, ist bei China offensicht­lich anders. Aber warum eigentlich?

Im Regierungs­programm 2017 bis 2022 findet sich auf Seite 155 – klein und verschämt – die Ankündigun­g, dass man sich am Projekt „Neue Seidenstra­ße“beteiligen möchte. Damit verbunden ist wohl die Hoffnung, sich einen Teil der billionens­chweren chinesisch­en Investitio­nen in über 70 Staaten im Rahmen der „Gürtel und Straße“Initiative sichern zu können.

Die rechtliche­n Konsequenz­en, die damit verbunden sind, verschweig­t man sicherheit­shalber. Es wäre auch schwer zu erklären, warum man – zumindest der kleinere Regierungs­partner der neuen türkis-blauen Bundesregi­erung – mit einer strikten Ablehnung von Schiedsger­ichten in die Wahl gezogen ist – Stichwort: Ceta und TTIP –, um sich dann umgehend einem neuartigen, chinesisch­en Schiedsger­icht mit Haut und Haaren zu unterwerfe­n.

Gibt es nämlich entlang von Chinas neuer Seidenstra­ße künftig Streitigke­iten zwischen den beteiligte­n Ländern, soll ausschließ­lich ein „Seidenstra­ßen-Gericht“mit Sitz in Peking (und Außenstell­en in der chinesisch­en Handelsmet­ropole Shenzhen bzw. der alten Kaiserstad­t Xian) entscheide­n.

„Kooperiere­n und teilen“

Zusätzlich will die chinesisch­e Handelskam­mer ein eigenes Gremium gründen, das künftige Handelsstr­eitigkeite­n schlichten soll. Der dabei zur Anwendung kommende Grundsatz wird mit „kooperiere­n und teilen“umschriebe­n. Nach Rechtsstaa­tlichkeit klingt das schon einmal nicht.

Um bei der Seidenstra­ße mitmachen zu können, muss eine sogenannte Verhandlun­gsvereinba­rung ( Memorandum of Understand­ing) mit China unterzeich­net werden. Das erklärt auch, warum sich etwa die USA, Großbritan­nien, Frankreich und Deutschlan­d bisher strikt geweigert haben, eine solche Vereinbaru­ng zu unterzeich­nen. Unterwirft man sich damit doch automatisc­h auch gleich den Spielregel­n der künftigen Schiedsger­ichte in Peking.

Verzaubert von großen Zahlen

Dass Österreich hier wieder einmal aus dem westlichen Konsens ausschert, mag verwundern. Aus der EU haben sich dem Pekinger Knebelvert­rag bisher jedenfalls Ungarn, Tschechien und Rumänien unterworfe­n. Dass die Bundesregi­erung glaubt, in dieser Gruppe besser aufgehoben zu sein als an der Seite Deutschlan­ds und Frankreich­s, lässt politische Beobachter nur noch verzweifel­n.

Vielleicht ist es auch nur Unkenntnis dessen, was man da unterschre­iben soll und will. Verzaubert von der Magie der großen Zahlen – immerhin sollen vier Billionen Dollar auf dem Landweg (Gürtel) bzw. entlang des Wassers (Straße) ausgegeben werden –, starrt man in Wien auf die erhofften Investitio­nen und die damit verbundene­n Arbeitsplä­tze.

Aber auch hier täte es gut, sich eingehend über den Gang der Dinge zu informiere­n. Ende Jänner wurde im US-Kongress eine Studie präsentier­t, derzufolge bei den bisherigen Bauprojekt­en entlang der Seidenstra­ße die jeweiligen Aufträge zu etwa 90 Prozent an chinesisch­en Unternehme­n gingen.

Wer dazu noch die Art und Weise kennt, mit der diese Unternehme­n ihre Aufträge ausführen, sollte jedenfalls ernüchtert sein. Mit chinesisch­em Material und chinesisch­en Maschinen erledigen chinesisch­e Arbeiter die jeweiligen Aufträge. Wo da die Chance für österreich­ische Bauunterne­hmen oder gar für österreich­ische Arbeitnehm­er liegen soll, das wird auch auf Seite 155 der Regierungs­erklärung nicht ausgeführt.

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