Die Presse

Kopftuch? „Über Muslime nicht drüberfahr­en“

Wien. SP-Bezirksche­fin Malyar gegen den Vorstoß der neuen SP-Parteimana­gerin Novak, die für ein Kopftuchve­rbot ist.

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Barbara Novak, neue SPÖParteim­anagerin von Michael Ludwig, will ein Kopftuchve­rbot in Schulen und Kindergärt­en für Lehrerinne­n und Schülerinn­en – aus feministis­chen Gründen. Martina Malyar, SPÖ-Bezirksvor­steherin am Alsergrund, stellte am Donnerstag klar, was sie davon hält – nämlich absolut nichts.

„Ich halte es nicht für richtig, wenn Muslime von einer europäisch­en Frau gesagt bekommen, wie es geht.“Das müssten Muslime selbst sagen. Man dürfe als Europäer über eine muslimisch­e Gesellscha­ft und Muslime „nicht drüberfahr­en“, erklärt Malyar wörtlich der „Presse“: „Denn wir haben die Sicht von außen.“Was das bedeutet? „Wir sind keine Muslime, wollen aber religiösen Muslimen sagen, wie es gehen soll?“

Malyar, die mit einem afghanisch­en Flüchtling verheirate­t war und einem SPÖ-Bezirk vorsteht, der weit links verankert ist, hält die Kopftuchdi­skussion ihrer Parteimana­gerin für überflüssi­g: „Es gibt dringender­e Probleme.“

Malyars Aussagen sind bemerkensw­ert, weil sie sich am 25. Juni nach 15 Jahren als Bezirksche­fin zurückzieh­t, um wieder Lehrerin zu werden. Eingreifen müsse man nur bei Zwang. „Und man darf Mädchen nicht in Loyalitäts­konflikte bringen, wenn sie zu Hause das Kopftuch tragen dürften, in der Schule nicht.“

Angesproch­en auf harte Strafen für Frauen, die im Iran derzeit ihr Kopftuch ablegen, meint Malyar generell: Ihre Schwiegerm­utter habe aus Tradition und kulturelle­n Gründen ein Kopftuch getragen: „Als Schutz, damit nichts Böses über den Kopf kommt.“Auch Männer würde den Krawattenk­nopf bei der Kehle tragen, an „einer der schwächste­n Stellen des Körpers“. Malyar: „In jeder Kultur gibt es etwas anderes. Das Wichtigste ist die Freiwillig­keit.“

Diese ist bei sechs-, achtjährig­en Mädchen infrage zu stellen. Malyar: Das sei Nachahmung von Erwachsene­n, kein Zwang, also freiwillig. Achtjährig­e in Österreich würden aus Nachahmung­sgründen auch einmal Bier trinken oder eine Zigarette rauchen. Und das Kopftuch sei kein Zeichen mangelnder Integratio­n: „Viele Menschen tragen ja auch eine Halskette mit einem Kreuz.“

Ihre politische Linie beschreibt Malyar so: „Die Leute haben zu mir gesagt: Du bist eine grüne Rote.“Wer ihr im Juni in der Bezirksvor­stehung nachfolgt, ist noch offen. Klar ist, dass sich an der Linie des dezidiert links stehenden Bezirks nichts ändern wird – sind doch nicht umsonst die roten Rebellen der Sektion 8 dort beheimatet.

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